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Wahrzeichen vernichtet Wahrzeichen vernichtet: Vor genau 20 Jahren rückte schwere Technik an

Von Petrik Wittwika 18.07.2017, 05:00
So sah es vor 20 Jahren an der Wasserturmkreuzung aus
So sah es vor 20 Jahren an der Wasserturmkreuzung aus Stadtarchiv

Zeitz - Kein anderes Bauwerk hat die vor allem vom Dessauer Bauhaus ausgehende Neue Sachlichkeit und ihre weltbekannte Architektur der avantgardistischen Moderne so mit aller Deutlichkeit nach Zeitz gebracht wie der einstige, 33 Meter hohe Wasserturm in der Geußnitzer Straße. Vor 20 Jahren, im Juli 1997, rückte schwere Abbruchtechnik an und beseitigte das unter Denkmalschutz stehende einzigartige und städtebaulich unverzichtbare Bauwerk nach Jahren der Auseinandersetzung um den Erhalt.

Vergessen ist der Wasserturm nicht, denn er gehörte wie Rathausturm oder Moritzburg knapp 70 Jahre zur Silhouette von Zeitz. Seine Zerstörung wirft noch immer Fragen über den Umgang mit den prägenden und gefährdeten Bauzeugen der regionalen Industriekultur auf.

Ganz pragmatische Gründe

Von Anbeginn war der Wasserturm in Zeitz-Ost als Höhendominante zugleich ein unverkennbares Wahrzeichen von Zeitz. Seine Errichtung ist allerdings auf ganz pragmatische Gründe zurückzuführen. Sie ist untrennbar mit der Ausdehnung der Stadt durch den von der sozialdemokratischen Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Bruno Löffler geförderten Wohnungsneubau nach dem Ersten Weltkrieg verbunden. Für die in der Oberstadt gelegenen Stadtteile ergaben sich immer wieder Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung.

Das städtische Wasserwerk erweiterte infolge des ständig zunehmenden Wasserverbrauchs dauernd seine Technik und Leistungsfähigkeit. Durch eine vom Zeitzer Wasserwerk bei Maßnitz bis zur Ronneburger Straße (Geußnitzer Straße) verlegte Druckrohrleitung bei gleichzeitigem Aufbau eines weiteren Erd- oder Hochbehälters, der statt bisher 1.000 insgesamt 3.000 Kubikmeter Wasser aufnahm, konnten die Probleme dennoch nicht vollständig beseitigt werden, weil die Fallhöhe des Wassers für die Wasserverteilung letztendlich nicht ausreichte.

Wassermangel in Zeiten starker Wasserentnahme

Unter permanentem Wassermangel in Zeiten starker Wasserentnahme hatten insbesondere die Zeitzer zu leiden, die in der Gleinaer oder Geußnitzer Straße lebten. Abhilfe konnte nach damaligem Stand der Technik nur ein entsprechender Wasserturm schaffen und das vor allem deshalb, weil die bereits in den 1920er Jahren geplanten Neubauten rund um die Wasserbehälter in der Hochzone an der Ronneburger Straße ansonsten nicht mit Wasser hätten versorgt werden können.

Spätestens als die 1927 gegründete „Gemeinnützige Wohnungsfürsorge-Genossenschaft“ im Jahr darauf ihre Bautätigkeit in der Gutenbergstraße mit den ersten sogenannten „Kleinwohnungen“ in sechs dreigeschossigen Sechsfamilienhäusern aufnahm, war klar, dass dringend gehandelt werden muss.

1928 auf beschluss des Magistrats erbaut

Auf Beschluss des Magistrats wurde der Wasserturm 1928 nach heftigen Kostendebatten im Stadtparlament in direkter Nachbarschaft der vorhandenen Hochbehälter nach einem architektonischen Entwurf des Dresdner Regierungsbaumeisters Fischer in Stahlbetonkonstruktion erbaut. Mit dem Bau beauftragt wurde die 1873 im sächsischen Freiberg gegründete Firma Hermann Mäcke aus Halle (Saale), die sich früh auf Stahlbeton im Hoch- und Tiefbau spezialisiert hatte und nicht zuletzt auch deshalb im europäischen Ausland mit der Errichtung von Industrie- und Schornsteinbauten einen sehr guten Ruf erworben hatte.

Verantwortlich für die Bauleitung war Johannes Scholl, seinerzeit Direktor der städtischen Gas- und Wasserwerke Zeitz, der mit seiner Frau in der Domherrenstraße 6 lebte. Die Lage des Wasserturms von rund 233 Metern über dem Meeresspiegel bot ideale Bedingungen. Auch die Technik im Inneren begeistert noch nach fast 90 Jahren: So wurde das Wasser durch zwei elektrisch angetriebene und sich automatisch einschaltende Pumpen aus dem Erdbehälter in den 200 Kubikmeter Wasser fassenden Hochbehälter im Turmkopf befördert. Bis zu Beginn der 1990er Jahre versah der Wasserturm seinen Dienst, wenn auch das große Versorgungsgebiet von Zeitz-Ost inzwischen längst andere Speicherkapazitäten absicherte. Über mehrere Jahre blieb fortan die Zukunft des stillgelegten technischen Denkmals ungewiss. Der Stadtwerke Zeitz GmbH als Eigentümer standen die Vorstellungen der zuständigen Denkmalbehörden, aber auch einer sehr interessierten Öffentlichkeit gegenüber.

Ablehnung im Rathaus

Obwohl im September 1991 durchgeführte Ausbesserungsarbeiten an der Außenhülle des Turmkopfes ganz offensichtlich noch auf den Erhalt des standfesten Wasserturms abzielten und in der Folgezeit von Seiten der Oberen Denkmalschutzbehörde, die gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt seinen herausragenden Wert erkannt hatte, beachtliche finanzielle Mittel zur Sanierung bewilligt worden waren, stieß dies nicht auf Widerhall bei den Entscheidungsträgern im Rathaus.

Mehrheitlich lehnten sie das Finanzierungskonzept ab. Die Forderung nach Übernahme der kompletten Sanierungskosten durch das Denkmalamt forcierte schließlich das Ende des Wasserturms. Neben nicht enden wollenden Debatten um den Erhalt rosteten die freigelegten Stahlverstrebungen des Turmkopfs immer deutlicher vor sich hin. Emotional schonungslos prangerte so ein als anonymes Flugblatt in Umlauf gebrachter „Nachruf für einen alten Zeitzer“ im Juli 1997 „unsinnige Anordnungen zur Zerstörung“ des Turms an, durch die dessen Stahlbetonskelett erst sichtbar gemacht worden war.

Zahlreiche Bürger begegneten schließlich dem Abbruch, für den sie kein Verständnis aufbringen konnten, mit einem Gemisch aus Fassungslosigkeit, Ohnmacht und Wut. In jenen Tagen blieben sie immer wieder am Ort des Geschehens stehen und hielten den deprimierenden Schlussakt im Bild fest, weil nicht irgendein Bauwerk, sondern einmal mehr ein Symbol der Industriestadt Zeitz vom Abrissbagger trotz seiner Mächtigkeit Stück für Stück „aufgefressen“ wurde. (mz)