Kultur am Güterbahnhof Theaterprojekt in Zeitz erzählt vom Leben in den Braunkohleregionen
Das Theaterprojekt „Das letzte Kleinod“ das Dokumentar-Theaterstück „Kohlezug“ über das Leben in den Braunkohleregionen unter freiem Himmel am Zeitzer Güterbahnhof auf.
![Das Theaterstück ?Kohlezug? wurde am Dienstagabend das erste Mal am Zeitzer Güterbahnhof aufgeführt.](https://bmg-images.forward-publishing.io/2021/9/2/debbb4d0-bd67-4691-a991-492486b00eb5.jpeg?rect=0%2C0%2C2502%2C1466&w=1024&auto=format)
Zeitz/MZ - Die riesige Aschegrube nebenan bestimmt über Jahre hinweg den Alltag der Bewohner: Beim Wäschetrocknen müssen sie die Windrichtung beachten, damit keine Asche auf der Wäsche landet; der beständige Krach der Bagger wird zum Hintergrundrauschen, ohne welchen ihre Kinder gar nicht mehr einschlafen können.
Theaterstück zeigt zunächst die Entwicklung der Braunkohleregion Gräfenhainichen in der DDR
Am Dienstag- und Mittwochabend führte das Theaterprojekt „Das letzte Kleinod“ das Dokumentar-Theaterstück „Kohlezug“ über das Leben in den Braunkohleregionen unter freiem Himmel am Zeitzer Güterbahnhof auf. Die Gruppe aus dem niedersächsischen Geestenseth reist zurzeit mit fünf Güterwaggons durch das Land und macht mit seinem Kohlezug Station in ehemaligen und noch bestehenden Braunkohlerevieren.
Zunächst skizziert das Stück die Entwicklung der Braunkohleregion Gräfenhainichen in der DDR: Vor der Braunkohle war da nur der Wald, „Opas größter Stolz“, und die kleinen Dörfer wie Gremmin und Rosendorf - diese Idylle musste für den ehemaligen Tagebau Golpra-Nord weichen, der mittlerweile als Veranstaltungsort „Ferropolis“ bekannt ist. Sechs Schauspieler, gekleidet in Arbeitskittel oder Blaumann, mimen die Anwohner. Die in authentischer Sprache gehaltenen Monologe und Dialoge basieren auf Alltagsanekdoten von Zeitzeugen, mit denen sie im Vorfeld gesprochen hatten.
Lakonisch-abgeklärt über den harten, manchmal lebensgefährlichen Arbeitsalltag im DDR-Tagebau
Die Asche sei überall gewesen, erinnert sich die Darstellerin im grauen Kittel. Und dennoch schließt die Szene mit dem Fazit: „Das waren doch ganz schöne Zeiten.“ Dann gibt es einen besonderen Kulissenwechsel. Gruppenweise werden die Zuschauer in offene Schüttgutwaggons mit Sitzplätzen geführt, wo ein oder mehrere Schauspieler einen Bericht halten, bis das Publikum in den nächsten Waggon zu einer neuen Szene geleitet wird. In den Waggons werden die Darsteller zu Baggerfahrern oder Pumpenwärtern.
Sie schildern lakonisch-abgeklärt den harten, manchmal lebensgefährlichen Arbeitsalltag im DDR-Tagebau: Mal wird ein Kumpel vom riesigen Bagger überrollt, einem anderen wird der Finger zerquetscht. Die Arbeit im Tagebau und dem Kohlekraftwerk formt ihr Denken, ihr Handeln - und ihre Identität. Die Requisite eines alten, rostigen Schraubenschlüssels, wird in dem Monolog einer Lokführerin erst zum Arbeitswerkzeug, dann zum Hebel einer Maschine und gleich darauf wiegt sie ihn zärtlich im Arm - stellvertretend für die drei Kinder, die sie zehn Jahre allein großgezogen hat, während sie täglich im Tagebau malochte.
Im letzten Akt wird der Bogen zur aktuellen Klima-Diskussion um den Kohleausstieg gespannt
Mehrmals singt der Bergmannschor Geiseltal zusammen mit den Darstellern Bergmannslieder, um das Ende einer Szene einzuläuten. Der Chor besteht aus früheren Bergleuten und Angehörigen des stillgelegten Tagebaus Braunsbedra. „Wir freuen uns sehr, dass wir mitwirken konnten. Auch die Erinnerungen unseres Chorleiters als früherer Bergmann ist in die Entwicklung des Theaterstücks eingegangen“, sagt Chorsängerin Christine Gürke.
Im letzten Akt wird der Bogen zur aktuellen Klima-Diskussion um den Kohleausstieg gespannt. Eine der jüngeren Darstellerinnen fordert einen schnellen Ausstieg - Entrüstung schlägt ihr entgegen. Eine einfache Lösung findet sich nicht. Das ist vielleicht auch nicht das Ziel des Kohlezugs: Ihm gelingt es erstmal, die verschiedenen, teils konträren Seiten dieser Thematik auf die Bühne zu befördern und Respekt und Verständnis für Bergleute und Revierbewohner zu transportieren, die sich immer noch sehr eng mit dem Bergbau verbunden fühlen.