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Student öffnet Fenster ins Mittelalter

Von Maria Barsi 05.10.2007, 16:43

Ostrau/MZ. - Mirko Finzsch ist nicht zum ersten Mal in und an der Ostrauer Kirche zugange. Mit winzigstem Werkzeug in seinen großen Händen, ist der hoch aufgewachsene starke Mann aus Saaleck jetzt dabei, Fragmente der Wandmalerei im Chor des Gotteshauses restauratorisch zu untersuchen. Das ist auch Thema seiner Diplomarbeit, und das wird ihn bis in die Wintermonate hinein beschäftigen. An der Fachhochschule Erfurt studiert er Konservierung und Restaurierung mit der Spezialisierung Wandmalerei und Architekturfassung, und damit sei er genau der Richtige für die Ostrauer Kirche, findet Ellen Heinichen, Vorsitzende des Gemeindekirchenrates des Kirchspiels Reuden, zumal er auch die begonnene Entsalzung im Sockelbereich der Fassade an der Ostseite der Kirche fortführt.

Die denkmalgeschützte Ostrauer Kirche ist bei den Fachleuten keine Unbekannte. Der Naumburger Mark Bettge gab schon 2003 die Broschüre "Die Kirche in Ostrau" unter anderem mit der Baugeschichte heraus und Restaurator Torsten Arnold aus Halle hielt am Tag des Denkmals im September vor Ort für viele Interessierte einen Vortrag zur Untersuchung des Innen- und Außenputzes auf Reste von Malereien aus mehreren Jahrhunderten, auf die man vor einigen Jahren bei bauhistorischen Untersuchungen bereits stieß.

Aus den Putzbefunden, erklärt Finzsch, könne man zumindest zum Teil die Gestalt der ursprünglichen romanischen Kirche erkennen. Und so öffnet er Fensterchen um Fensterchen in der Fensterlaibung des bauzeitlich der Gotik zugeordneten Chores und findet in der ersten Schicht Quadermalerei in Eisenoxidrot mit weißem Fugenstrich, in der Schicht darüber eine Marmorierung aus Ocker und Rot auf weißem Grund, die wertvollen Marmor imitierte.

Zu den beiden Fassungen an der Fensterlaibung untersucht Finzsch auch eine Fassung an der Wand. Sie ist in Schicht 4 deutlich jünger und wahrscheinlich dem Barock zuzuordnen, als der Chor zum Turm aufgestockt wurde. Auf der linken Seite könnte man selbst als Laie in einer der Ausmalungsphasen eine figürliche Darstellung vermuten. Das streitet Finzsch nicht ab, aber er bestätigt es auch nicht. Die Befundlage lasse eine eindeutige Aussage dazu nicht zu. Mehr lässt er sich in diesem Punkt auch nicht herauslocken und schon gar nicht mag er darüber spekulieren, was unter den Schichten eventuell doch noch vorhanden sein könnte. Möglicherweise könnte man mehr erkennen, wenn man die ganze Wand freilegte. Doch eine Freilegung der gesamten Fläche steht momentan gar nicht zur Debatte. Dann nämlich, erklärt Finzsch, müsste man alles sofort konservieren.

Dass überhaupt etwas von dem zum Teil Jahrhunderte alten Putz erhalten ist, läge sowieso wahrscheinlich daran, dass dieser immer wieder übertüncht und so in gewisser Weise geschützt wurde. Nicht umsonst sei es jetzt Teil seiner Diplomarbeit, ein System zu entwickeln, wie man die jetzt frei liegenden Stellen wieder abdecken kann. Zunächst muss erst einmal der Bestand geschützt werden. Und dann soll natürlich auch der Chorraum demnächst in einen präsentierbaren Zustand versetzt werden, denn das Kirchspiel Reuden wolle ja nach der Sicherung der Hülle auch das Innere der Kirche gestalten und nutzen. Der Chorraum wird also eine einheitliche glatte Wandfläche erhalten, was wohl auf einen Kalkputz über einer Trennschicht hinauslaufen wird. Dann ist vorerst auch das geschützt, was vermutlich gelangweilte Jugendliche 1895, 1899 und schon vor 1867 an die Chorwand schrieben und was Finzsch noch nicht alles identifizieren konnte. Nicht jeder kann die alte Schrift lesen.

Tage, Wochen, Jahre könnte man sich mit der Befundsuche und deren Sicherung allein in der Ostrauer Kirche beschäftigen, begeistert sich Finzsch, wohl wissend, dass das weit über die finanzielle Kraft der kleinen Kirchgemeinde gehen würde. "Aber je länger ich hier bin, desto mehr schätze ich die Leistung der Leute, die sich hierfür einsetzen", sagt er ein wenig staunend.