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Untreue-Verdacht  Stadtwerke Zeitz: Exklusive Reisegruppen zu Bundesliga-Spielen

Von Gert Glowinski und Sebastian Münster 10.12.2016, 18:00

Halle (Saale)/Zeitz - Die Veltins Arena in Gelsenkirchen ist ein Ort voller Emotionen. Der Fußballverein Schalke 04 trägt dort seine Heimspiele aus, bis zu 62.000 Plätze hat das Stadion. Packende Bundesliga-Spiele hat die Arena schon gesehen und natürlich den blau-weißen Fan-Wahnsinn der Schalke-Anhänger.

Auch ein Unternehmen aus Sachsen-Anhalt nutzte in der Veltins Arena eine Loge: die Stadtwerke Zeitz. Das kommunale Unternehmen lud dort nach Angaben ihres früheren Geschäftsführers über mehrere Jahre Persönlichkeiten aus Zeitz und Sachsen-Anhalt ein. Übernachtungskosten wurden offenbar häufig übernommen.

Untreue-Affäre bei den Stadtwerken Zeitz: Über Jahre hinweg Reisen zwischen Zeitz und Gelsenkirchen - hochrangige Beamte eingeladen

Die Anreise erfolgte nicht selten mit einem Bus. So entstand über Jahre eine rege Reisetätigkeit von Zeitz ins 400 Kilometer entfernte Gelsenkirchen. Und nun müssen sich beispielsweise Polizisten, Politiker und Aufsichtsräte fragen lassen: Warum haben sie sich einladen lassen von den Stadtwerken? Was wurde in Gelsenkirchen besprochen und vereinbart, was nicht auch hätte in Zeitz beredet werden können?

Mit in Gelsenkirchen dabei waren auch ein hochrangiger Beamter des Reviers in Zeitz, Andreas W., und der aktuelle Chef der Kripo im Burgenlandkreis, Christian B. Hatten auch sie sich von Hukes Stadtwerken Reise, Tickets und Übernachtung zahlen lassen?

Die MZ fragte an bei den beiden hochrangigen Beamten und wollte wissen, wer die Bundesliga-Ausflüge bezahlt hat. Geantwortet hat keiner der Beiden. In der Verwaltungsvorschrift zur Korruptionsvermeidung ist klar geregelt, was Polizisten dürfen und was nicht. Dort heißt es, Belohnungen, die Annahme von Geschenken oder anderen Vorteilen sind verboten.

In Zeitz wussten sicher viele von den kostspieligen Ausflügen nach Schalke. Stadträte zum Beispiel, die auch im Aufsichtsrat der Stadtwerke saßen und mitunter sogar selbst Einladungen nach Gelsenkirchen annahmen. Erst jetzt wurde das Ausmaß dieses besonderen Sponsorings auch öffentlich bekannt.

Stadtwerke Zeitz spendierte teure Reisen auf Schalke: Auslöser Kündigung Andreas Huke

Die Kündigung des langjährigen Geschäftsführer Andreas Huke brachte vor wenigen Tagen den Stein ins Rollen. Huke war von einem Tag auf den anderen abberufen worden. Offizielle Begründungen gab es dafür nicht, die Gesellschafter des Unternehmens teilten nach internen Prüfberichten nur mit, man könne mit Huke nicht weiter vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Kurze Zeit später wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft nach anonymen Anzeigen gegen Huke wegen Verdachts der Untreue ermittelt. Daraufhin holte sich der geschasste Firmenchef prominente Unterstützung: Rechtsanwalt und Ex-DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel.

Untreue-Skandla in Zeitz: Umfassende Stellungnahme von Andreas Huke

In einer umfangreichen Stellungnahme, die der MZ vorliegt und die zuvor an Staatsanwaltschaft, Gesellschafter, Aufsichtsräte und weitere Beteiligte geschickt wurde, geht Huke auch auf die Reisen nach Gelsenkirchen ein und begründet sie mit schwierigen Bedingungen für die Stadtwerke Zeitz. Die Einwohnerzahl der Stadt habe sich in den vergangenen Jahren halbiert, bei Gewerbe und Industrie sehe es ähnlich negativ aus.

Das „Mitbegleiten von ca. 650 Insolvenzen in der Region und das Bewältigen von ca. 3.500 entstandenen gerichtlichen Mahnverfahren“ habe eine „enorme Bedeutung für die öffentliche Wahrnehmung“ und „geschickte Gegensteuerung“ sei notwendig. Die Stadtwerke hätten also ein Image-Problem gehabt.

Mehrfach mit dem Stadtwerke-Reisebüro unterwegs war der damalige Landrat Harri Reiche. Er habe privat und dienstlich gleichermaßen an den Reisen teilgenommen und daraus nie einen Hehl gemacht, sagte er auf MZ-Anfrage. Wenn er als Privatmann unterwegs gewesen sei, habe er sämtliche Unkosten per Überweisung gezahlt und zur Anreise sein privates Auto genutzt.

In anderen Fällen habe er im Interesse des Landkreises als Landrat mit Wirtschaftsvertretern Verhandlungen geführt, von denen der Kreis „immer in barer Münze profitiert hat“. Er sei den Stadtwerken „nie finanziell zur Last gefallen“. Und: „Netzwerken ist in der Wirtschaftsförderungsarbeit ganz normal“, so Reiche, der in der kommenden Woche mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden soll.

Unternehmer und Geschäftspartner reisten nach Gelsenkirchen

Tatsächlich reisten auch Unternehmer und Geschäftspartner mit nach Gelsenkirchen. Etwa der damalige Chef der halleschen Volksbank, Manfred Kübler. Der mächtige Banker ist mittlerweile seinen Job los, gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft. Auch Angehörige des MZ-Verlages haben vor vielen Jahren Einladungen von Huke angenommen.

Nun von Huke vorgelegten Fotos sind offenbar während der Logen-Aufenthalte entstanden. Es sei nicht darum gegangen, eine „Beweislage“ zu schaffen, so der Ex-Chef der Stadtwerke. Vielmehr habe jeder Gast 14 Tage nach der Veranstaltung ein kleines Fotoalbum erhalten - als Erinnerung gewissermaßen.

Mittlerweile ist die Loge in Gelsenkirchen laut Huke gekündigt. Er habe die Aktivitäten im Fußballbereich stark reduziert. Er lege höchsten Wert auf geschäftlichen Erfolg einer Aktivität. Der ergebe sich allerdings nur selten kurzfristig, sondern zeige sich oft erst in der Zukunft, so Huke in seiner Stellungnahme.

Die Zukunft für den 53-jährigen Ex-Stadtwerke-Chef sieht nicht so rosig aus. Er will sich gerichtlich eine Abfindung erstreiten. Und wie sein Anwalt Diestel formuliert, seine „ideelle und materielle Lebensleistung“ sichern. (mz)