Sex im Alter Sex im Alter: Wie die Alten- und Pflegeheime in der Region Zeitz mit dem Thema umgehen

Zeitz - Sex auf Rezept für Pflegebedürftige? Der Vorstoß von Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, hat zuletzt bundesweit für Diskussionen gesorgt. Scharfenberg hatte sich dafür ausgesprochen, die sogenannte Sexualassistenz für pflegebedürftige und behinderte Menschen staatlich zu fördern. Ob staatlich finanziert oder nicht - wie gehen Alten- und Pflegeheime mit dem Thema „Sexualität“ um? Besteht überhaupt Bedarf an sexuellen Dienstleistungen?
Im Seniorenlandhaus Kretzschau hat man mit dem Thema „Sexualassistenz“ bisher keine Erfahrungen gemacht. „Den Wunsch nach bezahlter Sexualität hatten wir hier noch nie“, sagt Geschäftsführer Roberto Eckardt. Er vermutet, dass das mit der Herkunft und der gesellschaftlichen Prägung der Bewohner zusammenhängt, die überwiegend aus dem ländlichen Raum stammen. „Menschen, die in Großstädten wie Hamburg gelebt und dort schon Umgang mit Prostitution hatten, sind da vielleicht aufgeschlossener“, schätzt Eckardt.
Seniorenlandhaus Kretzschau: Ein gemeinsames Zimmer für zugeneigte Paare
Während der 21 Jahre, die das Alten- und Pflegeheim besteht, habe es aber einige Paare gegeben, die im Haus zueinander gefunden haben. Wenn der Wunsch bestand, wurde ihnen ermöglicht, ein gemeinsames Zimmer zu beziehen. Diese Form der persönlichen Zuneigung unterscheide sich nach Ansicht des Geschäftsführers aber von gelebter Sexualität.
Diesem Thema stehe man im Seniorenlandhaus aber grundsätzlich offen gegenüber. Auch wenn es dazu kommen sollte, dass ein Bewohner bezahlte, sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchte. „Ich persönlich hätte keine Bauchschmerzen, wenn der Wunsch an mich herangetragen werden würde“, sagt Eckardt. Für ihn sei eher die Frage, ob es in der Region Menschen gibt, die solche Dienstleistung angemessen durchführen könnten.
Stiftung Seniorenhilfe Zeitz: „Es gab bei uns schon Fälle, in denen Sexualtherapeuten im Einsatz waren.“
Für Ivonne Pioch von der Stiftung Seniorenhilfe Zeitz ist das Thema nicht neu. „Es gab bei uns schon Fälle, in denen Sexualtherapeuten im Einsatz waren“, sagt die Leiterin für Koordination und Pflege. Jedoch würde so etwas mit Rücksicht auf den jeweiligen Bewohner nicht groß thematisiert, sondern diskret behandelt. Das entspricht auch der Philosophie der Stiftung Seniorenhilfe, erklärt Geschäftsführer Andreas Fuchs. „Die Bedürfnisse der Bewohner stehen an erster Stelle. Da stellen wir uns nicht in den Weg.“
Die Sexualassistenz ist nach Angaben des Bundesverbands sexuelle Dienstleistungen e.V. (BSD) eine Form der Prostitution. Laut BSD ist die Sexualassistenz ein Angebot für behinderte, alte oder kranke Menschen. Häufig lebten diese in großer Abhängigkeit und mit vielen Einschränkungen, sodass für sie keine andere Möglichkeit besteht, um Sexualität mit einem anderen Menschen erfahren zu können. (cra)
Wenn ein Wunsch nach sexueller Nähe besteht, gehe man damit aufgeschlossen um und versuche behilflich zu sein - etwa bei der Vermittlung einer geeigneten Person. Von festen Verfahrenswegen könne jedoch nicht die Rede sein. Bei jedem Bewohner müsse individuell entschieden werden. Mitunter, ergänzt Pioch, reicht schon ein Anruf bei den Angehörigen, die sich um alles Weitere kümmern.
Seniorenhilfe glaubt nicht an staatlich geförderte Sexualassistenz
Im Allgemeinen sind die Mitarbeiter bemüht, die Bedürfnisse der rund 600 Bewohner in der Alten- und Behindertenhilfe zu respektieren. „Es kann vorkommen, dass eine Pflegebetreuerin in ein Zimmer kommt und ein Bewohner sich Pornografie anschaut“, schildert Pioch eine Situation, die nicht selten sei. Das gehöre zur Bedürfnisbefriedigung und werde respektiert.
Dass die Sexualassistenz künftig staatlich gefördert wird, halten die Mitarbeiter der Seniorenhilfe für unwahrscheinlich. Allein die Frage, in welchen Fällen ein wirklicher Anspruch auf sexuelle Dienstleistungen besteht, sei eine Gratwanderung. Zudem, so Geschäftsführer Fuchs, handele es sich dabei in aller Regel nicht um einen wirklichen Bedarf, sondern vielmehr um die Erfüllung eines Wunsches. (mz)