Naumburger Hussiten-Kirschfest Naumburger Hussiten-Kirschfest: Prokop Glotze wartet auf Pokal voller Wein
Naumburg. - Es sollte den Gästen der Stadt und auch den Naumburgern vorweg noch einmal vor Augen gehalten werden. Die Domstädter haben sich mit ihrer glücklich und unblutig ausgehenden Kirschfest-Historie eine hübsche Sage zugelegt. Ähnlichkeiten der Vorgänge des 24. Juni 1432 mit heutigen Verhältnissen sind also strikt auszuschließen. Obwohl auch das Naumburger Tageblatt / MZ am Sonnabend in der Marktszene vorm großen Festumzug eine winzige Nebenrolle spielte. Da standen sie nun: Die wenigen im Rathaus zurückgebliebenen Ratsherren sollten den aufgeregten Marktfrauen erklären, wohin sich denn die oberste Stadtherrlichkeit angesichts des von Jena und Camburg her anrückenden Hussitenheeres verkrümelt hatte.
Die Nachricht, dass Gefahr drohe, hatten die Frauen aus der aktuellen Zeitung des Tages erfahren, nicht etwa vom Ausrufer der Stadt. Und die Ratsherren - gespielt von Thomas Burkhardt und Wolfgang Astroth - mussten bekennen, dass sich der Oberbürgermeister und sein Gefolge in der offenbar gut gesicherten Landskrone verstecken.Dann wurde es ernst. Das Hussitenheer, bestehend aus böhmischen Darstellern und den Bernauer Briganten, rückte vom Schlösschen her vor und feuerten drei schwere Böller ab.
Herold Hans-Jürgen Hagedorn las die Warnung des Heerführers Prokop vor: Aufgeben, die Stadttore öffnen, sonst setzt es Hiebe. Doch wir kennen ja unsere Kirschfestsage. Irgend ein Lehrer von der Schul' findet sich immer, der seinen ganzen Mut und die Kinder zusammennimmt und vor die Tore zu den Hussiten geht. Diesmal war es Schulleiter Rudolf Oeckel mit den Mädchen und Jungen seiner Georgenschule, die von der Marienstraße her vors Rathaus zogen.
Rudolf Oeckel muss es dabei ziemlich mulmig zumute gewesen sein, denn so kurz vor seiner Pensionierung noch eine solch gefährliche Heldentat. . . Doch keine Angst, die Sage hat ja den Ausgang schon vorbestimmt. Die Kinder liefen, taktisch ganz geschickt, geduckt, unterwürfig und mit flehenten Blicken auf den Prokop zu, und Cordula Würfel aus der Klasse 4 a der Georgenschule stimmte mit engelsgleicher Stimme ihr "Gnade Gnade, Gnade" an. Alle Kinder fielen alle ein, und fast schien es so, die dicht um den Markt stehenden Zuschauer auch. Was blieb dem Heerführer nun übrig, als seinem weichen Herzen einen Stoß zu geben.
Kirschen hatte er zum Glück zentnerweise dabei, also rasch die finsteren Gesellen unter die Kinder geschickt, um die roten Früchte verteilen zu lassen. Nur, in einem hatte sich Prokop Hartwig Glotze allerdings getäuscht. Zu einem echten Frieden gehört auch ein kühler Tropfen unter Männern. Doch Naumburgs Oberbürgermeister Hilmar Preißer erschien nicht. Zu viel Angst oder ungenügende Achtung vor dem großherzigen und ehemaligen Bedroher?
Fast schien es so, als wollten die Hussiten ihre Kanone erneut laden. Doch Ekkehard Wirth-Steinbrück, der die Marktszene geschrieben und auch als Regisseur betreut hat, zudem hier vorm Rathaus als verbindender Sprecher des Spiels und später als Moderator des Festzuges agierte, fand die erklärenden Worte. Entweder geriet die Marktszene zu kurz oder die Spitze des Festzuges war zu langsam - auf jeden Fall mussten Prokop und seine Hussiten, die Kinder und die Gäste warten. Der Sprecher redet sich ja die "Gusche fusslig", bemerkte ein Zuschauer aus dem Sächsischen zutreffend. Ja, Wirth-Steinbrück verriet dabei auch, dass die Idee zu dieser Marktszene bereits aus dem Jahre 1928 stamme. Denn damals ist sie in ähnlicher Form schon einmal gespielt worden.
Doch nach dem Motto "Alles wird gut" endete die Geschichte wie immer. Preißer kam mit seinen Gefolge doch noch, Prokop Glotze bekam seinen Pokal voller Wein und trank ihn für jeden sichtbar bis auf den Grund leer - der Festzug konnte endlich beginnen. Die Mär von der Geschicht': Nicht alles, was nach Geschützdonner klingt, sollte immer so ernst betrachtet werden. Auch heute nicht. Es könnten Spatzen die Ziele sein. Den Zuschauern jedenfalls hat es prächtig gefallen - dem Autor dieser Zeilen auch.