Klassentreffen Klassentreffen: Wiedersehen 70 Jahre nach der Einschulung
Zeitz/MZ. - "Wir sind die Sitzenbleiber, sage ich immer. Wir sind in die achte Klasse eingeschult worden und aus der achten Klasse entlassen worden", erklärt der 77-jährige Heinrich Pleß mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Er begrüßt immer mehr Neuankömmlinge im Zeitzer Gartenlokal "Goldener Apfel". Die meisten sind im gleichen Alter wie er selbst. Sie sind mit ihm zusammen am 2. April 1932 - vor 70 Jahren - in der Steinsgrabenschule eingeschult worden. Später seien sie dann in die erste Volksschule umgesetzt worden.
Pleß muss die Sache mit dem Sitzenbleiben näher erklären. Da steckt deutsche Schulgeschichte drin. "Zu Kaisers Zeiten sind Kinder in der achten Klasse eingeschult worden. Dann wurde rückwärts gezählt und in der ersten Klasse entlassen," rechnet er vor. Eingeschult worden seien sie 1932 noch in die achte Klasse. Unter Hitlers Herrschaft sei das System 1936 geändert worden, also in die erste Klasse eingeschult und in der achten entlassen worden. Es sind aber nicht nur die alten Schulgeschichten, die beim Klassentreffen jener Jungen- und der gemischten Klasse von damals erzählt werden. Früher organisierte Günter Seidel, der bereits verstorben ist, die Klassentreffen. Da gab es auch eines in jenem Jahr, in dem die Mitschüler ihren 70. Geburtstag feierten.
Als Anlass brauchte man dann aber nicht immer ein rundes Jubiläum. "Wir müssten uns mal wieder treffen", reichte als Anlass zwischendurch - weil es immer weniger ehemalige Mitschüler gibt. 18 hatten in diesem Jahr ihr Kommen zugesagt. Ein Teil bringt die Ehepartner mit. Doch manche sagen auch aus gesundheitlichen Gründen ab.
Gemeinsam mit dem Zeitzer Erhard Leonhardt hat Pleß jetzt die Organisation übernommen. Leonhardt, der ehemalige Chef eines Fotogeschäftes, schrieb die Einladungen, die einen Rückantwortabschnitt enthielten. Die kamen bei Pleß an, der die Feier im Gartenlokal mit Kaffeetrinken, musikalischer Umrahmung und Abendessen organisierte. Die meisten "Ehemaligen" wohnen noch in Zeitz und Umgebung. Ein Ehepaar kam aus Waldheim, eines aus Zahna. Vom Bodensee kam eine Absage, der Arzt erlaubte die Reise nicht mehr. Der Mitschüler aus Dresden schrieb ab, weil seiner Frau eine Herzoperation bevorstand.
"Das 20. Jahrhundert war für uns so wechselhaft wie das Aprilwetter," meint Pleß, der sich mit seinen Mitschülern gerne alte, aber auch Fotos von deren Familien anschaut. Krieg, Sonnenschein, mehrere Währungsreformen haben wir erlebt. Da sprudeln schon wieder die Erlebnisse aus ihm heraus. "Heute sehen wir das alles abgeklärter", meint er und beginnt Witze zu erzählen. Schließlich haben sich die vor 70 Jahren Eingeschulten wieder einmal getroffen, um ein paar fröhliche Stunden miteinander zu verbringen und über die alten Zeiten zu plaudern.