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Karpfenessen in Würchwitz Karpfenessen in Würchwitz: Geigen-Musik mit viel Gefühl

Von Yvette Meinhardt 01.12.2015, 16:50
Frank Michael Erben (l.) vom Leipziger Gewandhaus beschreibt liebevoll seine Geige. Danach speilt er auf, Isabel Hindersin (M.) singt dazu. Winzer Hubertus Triebe (r.) steuerte den Wein zum Abend bei.
Frank Michael Erben (l.) vom Leipziger Gewandhaus beschreibt liebevoll seine Geige. Danach speilt er auf, Isabel Hindersin (M.) singt dazu. Winzer Hubertus Triebe (r.) steuerte den Wein zum Abend bei. Yvette Meinhardt Lizenz

Würchwitz - Frank Michael Erben spielt beim spanischen König in Madrid und vor Prinz Charles in London, gastiert in New York und tourt durch Südamerika. Er leitet als Erster Konzertmeister das Gewandhausorchester Leipzig und ist Primarius im Gewandhaus-Quartett. Und immer wieder führen die Wege des 50-Jährigen nach Würchwitz zu Helmut Pöschel. Im kleinen beschaulichen Dorf geniest er die Ruhe und Gastfreundlichkeit. „Mein Vater hat in den 1970er Jahren im Schloss Moritzburg gespielt, damals war ich als sechsjähriges Kind zum ersten Mal in Zeitz“, erzählt Erben.

Gleich beim ersten Mal kreuzten sich die Wege der Familie Erben mit Helmut (Humus) Pöschel. Der Biolehrer aus Würchwitz nutzte die Gunst der Stunde und holte die Leipziger Musikerfamilie in das kleine Dorf. So gab es in der Schule regelmäßige Konzerte im Frühling und zum jährlichen Kleefest spielte die Familie Erben mehrfach auf. „Wir hatte schon damals kein Geld. Aus diesem Grund lud ich die Familie zum Karpfenessen ein, unsere ganz individuelle Art den Gästen einmal Danke zu sagen“, erinnert sich Helmut Pöschel. Die Freundschaft zwischen den beiden Männern blieb bis heute, so gab es zum ersten Advent wieder das berühmte Karpfenessen in Würchwitz.

„In der Weihnachtszeit habe ich natürlich sehr viele Auftritte, doch ich hätte mich sehr geärgert das wunderbare Essen in geselliger Runde zu versäumen“, sagt der Musiker aus Leipzig. Humus macht daraus ein zauberhaftes Ritual. Die vier großen Karpfen sind natürlich vom Biobauern, die Kartoffeln stammen aus dem Garten hinterm Haus, das Rotkraut wird von Hand geschnitten. „Bei mir gibt es zum Karpfen immer selbst gemachten Meerrettich, den haben wir frisch geerntet und gerieben. Dazu kommt ein Apfel, Sahne und Gewürze“, gewährt Humus einen Blick in die Töpfe. Hinter den Kulissen wirkt Sternekoch Andreas Zerjadke, schmeckt die Speisen ab, bereitet als ersten Gang einen frischen Salat mit Scampi zu. Eine weitere ungewöhnliche Männerfreundschaft entstand mit dem Koch. „Wir haben uns vor 15 Jahren bei Freunden zum Geburtstag kennengelernt, seitdem koche ich für Humus, egal ob zur Filmpremiere oder zum Advent“, erzählt Zerjadtke. Ganz nebenbei hat er die Tafel festlich dekoriert. 16 Leute nehmen daran Platz und essen gemeinsam. Winzer Hubertus Triebe steuert Preis gekrönten Wein zum Abend bei.

Danach gebt es Geschichten und Musik. „Eine Geige ist so launisch wie eine Frau, man muss sie mit viel Gefühl spielen“, sagt Frank Michael Erben. Sein Instrument ist ein ganz wertvolles Exemplar und wurde 1755 in Mailand gebaut. Banken haben es ihm überlassen, um darauf zu spielen. „Ein Instrument, das nicht gespielt wird, schläft ein“, sagt der Musiker. Das Holz seiner Geige beschreibt er als sehr biegsam und elastisch. „Man muss das Instrument wachküssen“, sagt Erben.

An solchen Abenden in gemütlicher Runde entsteht so manche Idee für das weitere künstlerische Schaffen. Die Zusammenarbeit zwischen Musikern und Filmstudio Würchwitz reicht dabei ebenfalls 40 Jahre zurück. „Der Jungbrunnen ist einer unserer ersten Filme. Als ich ihn der Familie Erben vorgespielt habe, hat sich die Schwester spontan ans Klavier gesetzt und so entstand unsere Filmmusik“, erzählt Humus eine der gemeinsamen Geschichten. Der Film wurde in den 1970er in Finnland Preis gekrönt. Friedrich-Karl Steinbach - vielen als der Würchwitzer Egon Olsen bekannt - lauscht aufmerksam. „Auch in meiner guten Stube hat Familie Erben schon gespielt und zum Kleefest bei mir übernachtet“, sagt Steinbach. Und plötzlich werden neue Filmideen entwickelt. Der Würchwitzer Egon Olsen könnte doch mal in das Gewandhaus einsteigen und eine teure Geige stehlen - natürlich darf es dann eine Stradivari sein. (mz)