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Hochwasserfolgen Hochwasserfolgen: Die Kapsel für trockene Akten

Von Julia Reinard 30.09.2013, 17:56
Das Rollgestell passt exakt in die zur Gefriertrocknung umgebaute Anlage.
Das Rollgestell passt exakt in die zur Gefriertrocknung umgebaute Anlage. Julia Reinard Lizenz

Zeitz/Leipzig/MZ - Wem ist das nicht schon mal passiert? Man stößt ein Getränk auf dem Tisch um alle Zettel werden nass. Und dann? - Dann verläuft die Tinte, das Papier wellt sich, Seiten bleiben aneinander kleben. - Genau das ist auch im Zeitzer Amtsgericht passiert, nur im viel, viel größeren Maßstab. 15 Tonnen Akten wurden beim Hochwasser klitschnass, teils blieb Schlamm an ihnen haften.

Und während man die sieben, zehn, auch 30 Blätter vom Schreibtisch irgendwie einzeln trocknen kann und zur Not auch mal eine Seite wegwirft, ist das bei den Akten vom Gericht nicht möglich. Da darf nichts vor Ablauffrist geschreddert werden. Manche Dokumente, die des Grundbuchs beispielsweise, dürfen nie vernichtet werden. Und natürlich: Jede Seite des riesigen Aktenberges muss lesbar sein.

Und so hatte das Amtsgericht Hilfe gesucht - sie bei der Leipziger Firma Zentrum für Bucherhaltung (ZFB) gefunden. Sie sind nicht die einzigen. „Wir bearbeiten Dokumente mit Hochwasserschäden aus ganz Mitteldeutschland“, erklärt Christine Hagnau, Marketing- und Vertriebsassistentin beim ZFB.

Vier Tage nach dem Höchststand der Weißen Elster stand sie mit auf dem Hof des Gerichts und begleitete das Packen. Zu dicken Bündeln geschnürt kamen sie in Rollcontainer aus Metall. Zwischen jeder Schicht eine Trennfolie und dann wurden sie in Kühlhallen gebracht. Sie tiefzufrieren sei der erste Schritt zur schonenden Trocknung, erklärt Christine Hagnau. Gefroren lagern die Akten, bis man sie in die Hallen des ZFB verfrachtet. Bis sie zu Glen Lampert kommen. Bis sie eiskalt getrocknet werden.

Lampert arbeitet seit zwei Jahren beim ZFB. Seine Arbeitsstelle war als Konservierungsassistent ausgeschrieben, aber das umfasst ein weites Feld. In seinem Fall heißt das - zwischen minus 18 Grad Celsius im Kühlraum und 28 Grad im Herzen der Trocknung zu pendeln. „Die Temperaturunterschiede machen mir nichts aus, sie härten ab“, scherzt der Leipziger.

Seine Aufgabe ist es, die Gefriertrocknungsanlage zu füllen, und wenn die Unterlagen trocken sind, zu leeren. Die Anlage erinnert an eine Kapsel. Lampert muss die Zwingen mit einem großen Elektroschrauber öffnen. In der Kapsel steht fast schulterhoch ein Rollgestell mit eingeschlagenen Aktenbündeln auf Wärmmatten, über die Energie zugeführt wird. Geordnet sind sie, wie sie in Zeitz verpackt wurden. Damit das so bleibt, gibt es für jeden Trockengang einen Belegungsplan. Lampert holt das Gestell heraus, prüft jedes Bündel auf Trockenheit. „Weil die Stapel von außen nach innen trocknen, kann man sagen: Wenn es innen warm ist, sind die Seiten getrocknet“, sagt er. Rund eine Woche brauchen sie, um zu trocknen (siehe Kasten „Vom Eis ...“).

Fachwissen für die Arbeit hat Lampert beim ZFB bekommen. „Alles, was mit Maschinen zu tun hat, wird intern geschult“, erklärt Christin Hagnau und nennt auch den Grund dafür: „Jede Gefriertrocknungsanlage ist anders.“

Das lässt sich beim ZFB selbst schon beobachten: Das Unternehmen hat sich kurz nach dem Hochwasser eine neue Anlage zugelegt. „Selbst gebaut“, sagt Christine Hagnau, dafür sei einer der Mitarbeiter ein Ingenieur. Die neue hatte vorher andere Funktionen - aber ist nun im Dauereinsatz, unter anderem für die Zeitzer Akten.

Prüfung der Blätter: Sind sie bis innen hinein getrocknet?
Prüfung der Blätter: Sind sie bis innen hinein getrocknet?
Julia Reinard Lizenz
Kurz nach dem Hochwasser: Die Akten werden für den Transport verpackt.
Kurz nach dem Hochwasser: Die Akten werden für den Transport verpackt.
Corina Wujtschik Lizenz