Grüner Hering mit Innenleben gefragt
Zeitz/MZ. - Er will den grünen Hering selber ausnehmen. "Die Innereien habe ich immer separat gebraten", erzählt er bei seinem Anruf in der MZ-Redaktion. Die Verkäuferin habe sich auf gesetzliche Vorschriften berufen. Gegen diese darf das Unternehmen nicht verstoßen. "Ansonsten drohen Strafen", bestätigt Kerstin Reschel, Verkäuferin bei Brausens Frischkost-Markt aus Pegau. Einem Unternehmen, das mit seinem mobilen Verkaufswagen mittwochs auf dem Zeitzer Neumarkt Station macht. Was Kerstin Reschel nicht weiß: Die Verordnung ist überholt. Das fand die MZ bei ihrer Recherche heraus.
Nachgefragt wurde zunächst im Landratsamt Burgenlandkreis. Bei der zuständigen Behörde, die für solche Kontrollen verantwortlich zeichnet. "Am besten ist es, sie wenden sich an das Landesamt für Verbraucherschutz", lautete die Antwort. Die Verbraucherschutz-Mitarbeiterin machte sich kundig und erklärte, dass es die Pflicht zum Ausnehmen nicht mehr gibt. Bis 2005 mussten Fische - abgesehen von Bücklingen und Lachsheringen - nach bestehender Fischhygiene-Verordnung ausgenommen werden, bevor sie in den Verkauf gingen. Das traf auch für grüne Heringe und Salzheringe zu, in denen Nematodenlarven (Heringswurm) nachgewiesen wurden. Wissenschaftler hatten herausgefunden, dass beim Verzehr von unzureichend behandeltem Fisch eventuell noch in der Muskulatur vorhandene lebende Nematodenlarven aufgenommen werden und zu Erkrankungen führen können. Im menschlichen Körper können sich diese Larven weder vermehren noch überleben sie längere Zeit. Auch das konnte wissenschaftlich belegt werden.
Die ursprüngliche Fischhygiene-Verordnung wurde im Jahr 2005 durch eine andere Gesetzgebung abgelöst, die ebenfalls den Verkauf von ausgenommenen Fischen vorschrieb. Dieses Gesetz wiederum trat am 8. August dieses Jahres außer Kraft, so die weiteren Informationen aus dem Landesamt für Verbraucherschutz. In der neuen Verordnung heißt es nun unter anderem: "Ist das Ausnehmen unter technischen und handelsrelevanten Gesichtspunkten möglich, so muss es bald nach dem Fang oder der Anlandung erfolgen", zitiert die Mitarbeiterin aus dem entsprechenden Leitfaden. Ihre Schlussfolgerung: Sofern dies nicht möglich ist, muss der Fisch nicht ausgenommen werden, so dass die Lebensmittelüberwacher "runde" Heringe, also solche mit Innereien, nicht beanstanden können.
"Wichtig ist, mit dem Frischfisch wird hygienisch umgegangen und er wird ordnungsgemäß gelagert." Für Hans Ermes würde das bedeuten, dass er wieder "runden" Hering kaufen kann. Vorausgesetzt, er findet einen Fischhändler, der Fische mit Innereien verkauft. Kurt Brause, Chef des Pegauer Frischkost-Marktes, wusste bis zum MZ-Anruf noch nichts von der neuen Verordnung. Auch für seinen Großhändler - der Fischverarbeitung und Fischgroßhandel Smykala mit Sitz in Spandowerhagen - war das Ganze neu.