Firma W. Otto Wolf in Zeitz Firma W. Otto Wolf in Zeitz: Gezwungenermaßen musste Ehefrau Chefin werden

Zeitz - In der Zeitzer Schützenstraße kann man heute noch die Reste eines guten Stücks Industriegeschichte der Stadt entdecken, der Firma W. Otto Wolf. 1899 gegründet, standen die Zeichen für ihn allerdings nicht immer auf Erfolgskurs stehen. Im Ersten Weltkrieg arbeiteten am 1. Juli 1917 nur noch sieben männliche und zehn weiblicher Arbeiter bei Wolf.
1925 stellten in der Firma W. Otto Wolf 50 Arbeiterinnen und Arbeiter Posamenten, Borten, Bänder und Besätze für Kinderwagen her. 1935 umfasste das Personal der Firma W. Otto Wolf insgesamt 36 Beschäftigte. Mehrere Großaufträge finnischer Kinderwagenhersteller, die bei der Firma Wolf verschiedene Farben Kinderwagen-Verdeck-Abschlussborte bestellt hatten, belebten 1937 noch einmal das Exportgeschäft.
Firma W. Otto Wolf in Zeitz: Nachfolger war gefallen
Mit gemischten Gefühlen kehrte Charlotte Wolf (1907-1988) im Frühling 1949 nach Zeitz in die Schützenstraße 25 zu ihren alten Schwiegereltern zurück, denn sie wusste genau, welche große Verantwortung ihr recht bald zufallen würde.
Lottes 1903 in der Schützenstraße 25 geborener Ehemann, der Kaufmann Rudolf Wolf, stand als Nachfolger für die Geschäftsleitung tragischerweise nicht mehr zur Verfügung. Im Dienstgrad eines Gefreiten war er am 26. Mai 1945 im „62. Feld-Hospital“, einem Kriegsgefangenenlager bei Linz, besser bekannt als sogenanntes „Rheinwiesenlager“, an den Folgen der Inhaftierung verstorben.
Firma in Zeitz: 77-jährig erlag W. Otto Wolf am 5. Juni 1949 seiner schweren Krebserkrankung
Mit ihren beiden Söhnen Günter und Hans-Georg war Lotte Wolf zunächst im thüringischen Sondershausen, wo die Familie seit Jahren lebte, wohnen geblieben. Aber die schwere Erkrankung ihres Schwiegervaters drängte sie zur Rückkehr in die Stadt Zeitz, wo sie als Tochter von Fleischermeister Kurt Grünz aus der Kalkstraße 1930 vor den Traualtar getreten war.
77-jährig erlag W. Otto Wolf am 5. Juni 1949 im Zeitzer Krankenhaus seiner schweren Krebserkrankung, die zuerst den Darm und dann zu allem Unheil auch die Leber mit Metastasen befallen hatte. Ehefrau Rosa folgt ihm zwei Jahre später in die Ewigkeit. Die aus insgesamt acht Enkelkindern bestehende Erbengemeinschaft Wolf wurde rechtlich von einem Testamentsvollstrecker aus Leipzig vertreten. Kurz nach dem Tod von Rosa Wolf war die Firma außerdem im Sommer 1951 in eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) umgewandelt worden.
Firma W. Otto Wolf in Zeitz: An die Seite von Lotte Wolf trat in der Firmenleitung ein neuer Geschäftsführer
An die Seite von Lotte Wolf trat in der Firmenleitung Karl Mitte als neuer Geschäftsführer der Posamentenfabrik W. Otto Wolf. In den wirtschaftlich äußerst schwierigen Nachkriegsjahren und der zunehmenden Verstaatlichung von Betrieben in der jungen DDR versuchen beide immer wieder das mitunter Unmögliche, um das Unternehmen ganz im Sinne des bis ins hohe Lebensalter agilen Firmengründers am Leben zu erhalten.
Für Karl Mittes Sohn Werner sind es vor allem Kindheitserinnerungen, die er mit dem heute leerstehenden Fabrikgrundstück Schützenstraße 25 verbindet. Das gesamte Gelände, zu dem auch der in den 1950er Jahren noch teilweise erhaltene Garten hinter dem Wolf’schen Wohnhaus gehörte, waren für den Zeitzer und seinen Freund Hans-Georg Wolf „Abenteuerspielplatz“ schlechthin.
Firma W. Otto Wolf in Zeitz: Als Instanz in den Werkhallen galt Meister Beck
Nur zu gut kann sich Werner Mitte deshalb auch noch über 60 Jahre später daran erinnern, dass die Firma Wolf ein solide aufgebauter Betrieb mit hochwertigen Maschinen war. Als Instanz in den Werkhallen galt Meister Beck, der den Maschinenpark eingerichtet und mit größter Sorgfalt verwaltet hatte. Breit angelegt blieb das Produktionsrepertoire. Neben Bändern und Gurten verschiedenster Art entstanden in der Schützenstraße 25 nach wie vor Rüschen und Ausstattungsteile für Kinderwagen und -betten. „Erntebindegarn“ war in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg der große Renner, weil er praktischerweise zum Abbinden der Garben auf den Feldern eingesetzt wurde.
Zum Verkaufsschlager des Unternehmens avancierte ebenfalls ein speziell fabriziertes Band, mit dem der Saum von Hosen übernäht werden konnte, was diesen eine längere Haltbarkeit garantierte, da es ein Ausfransen verhinderte. Für die Zeitzer Rollofabrik Hillmann, die Faltjalousien und Schnapprollos produzierte, wurden ferner Bänder und Schnüre geliefert. (mz)


