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Fanfaren für die Anfangfünfziger

Von PETRA WOZNY OSTERFELD 13.10.2008, 16:17

Halle/MZ. - Frank Zimmermann aus Haardorf sagte sich: "Vor 45 Jahren sind wir eingeschult worden, haben 1973 den Abschlussball gefeiert und uns zum überwiegenden Teil seitdem nie wieder gesehen. Da muss doch was passieren." Und so organisiert er gemeinsam mit Christine Mladek aus Goldschau und Marina Babor aus Eisenberg nach dreieinhalb Jahrzehnten das allererste Klassentreffen des Jahrgang 1963 bis 1973.

Vorbei die Zeit der Miniröcke

Von rund 70 Schülerinnen und Schülern sagen 45 zu. Die meisten kommen mit weichen Knien. Wer ist wer? Diese Frage wird am vergangenen Sonnabend vor dem Matzturm, dem Treffpunkt der drei Schulklassen, gekonnt überspielt. Die Zeit der langen Mähnen bei den Jungs ist schon lange vorbei und auch die Miniröcke sind aus der Mode gekommen. Nun stehen sich gestandene Frauen und Männer gegenüber, die längst Anfang fünfzig sind.

Reinhard Hoppe, der die Tür zum Matzturm aufschließt, kennt das. " Viele Ehemalige nutzen den Blick aus 96 Metern Höhe, um auf die Schule zu sehen", schildert er. Der Schriftführer des Denkmalfördervereins hat die "Schlüsselgewalt" zum Turm. Mit weit ausgestrecktem Arm zeigt er auf morsche Balken, die gegenüber dem frisch sanierten Turm lagern: "Da drüben an der Mauer haben zur Schuleinführung immer die Zuckertüten gehangen." Einige aus den drei Klassen des Jahrgangs 1963 können sich sogar noch daran erinnern. Der Zugang zur Polytechnischen Oberschule von Osterfeld bleibt den Ehemaligen jedoch versperrt. Seit Jahren ist das Haus geschlossen. Nur der Fanfarenzug übt noch in einem Raum. Es ist schon ein tragisches Bild, wie sich die in die Jahre gekommenen "Schüler" an den ungeputzten Scheiben die Nase platt drücken. "Sieh mal, war das nicht unser Geografieraum?", fragt einer. Die Frage bleibt unbeantwortet.

Elisabeth Fahrenbach indes erinnert sich ganz genau, dass sie vor dreieinhalb Jahrzehnten von allen Schülern den kürzesten Schulweg hatte. "Mein Elternhaus steht 50 Meter neben der Schule", erzählt sie. Deshalb klingelte bei ihr der Wecker erst 7.30 Uhr, also eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn. Am Sonnabend habe sie viele Schülerinnen und Schüler zu sich eingeladen. Die Mutter habe Pflaumenklöße gemacht - manchmal über einhundert. Zum Klassentreffen hatte sie es etwas weiter, lebt doch die Bauingenieurin, Mutter zweier Kinder und Oma eines Enkels jetzt in Halle.

Das Schulhaus ist Ende der 60er Jahre gebaut worden. "Alles roch noch nach Farbe und Zement und war richtig modern, als wir einzogen", erinnert sich Frank Müller, der jetzt Amtsleiter Liegenschaften in der Verwaltungsgemeinschaft Wethautal ist. Viele Jahre später hat er auch seine beiden Kinder hier eingeschult. Der heute 51-Jährige bedauert, dass das Objekt leer steht. "Die Stadt Osterfeld hat die Schule für einen Euro gekauft, um sich die Option für den Schulstandort zu erhalten." Müller lenkte als Bürgermeister zwei Jahrzehnte die Geschicke der Gemeinde Meineweh. Gerade an die Zeit nach der Wende erinnert er sich gern. "Ich hatte nie den Wunsch, in den Westen zu gehen", begründet er seine Bodenständigkeit.

Für zwei Pärchen verbindet sich die Geschichte mit dem Schulhaus ganz besonders mit der eigenen Geschichte. Burgunde und Albrecht Pollmächer sowie Angelika und Hans Schob haben sich am Ende der Schulzeit in Osterfeld ineinander verliebt. Bei Schobs funkte es beim Eisessen. Die künftigen Pollmächers haben sich beim Abschlussball tief in die Augen gesehen. Während die beiden Schobs in Zeitz zu Hause sind. "Wir haben beide zum Glück hier Arbeit und mögen diese Heimat", meint Angelika Schob, die in einem Unternehmen arbeitet, was Windanlagen in der Region errichtet. Pollmächers hat es vor sieben Jahren des Jobs wegen 450 Kilometer weit weg in die Pfalz verschlagen. "Da bleiben wir und vor allem bleiben wir Ostdeutsche", meint der Steinmetz.

Fast alle sind in Arbeit

Regionale Verbundenheit - das ist es, was bei diesem Treffen alle schnell zusammenfinden lässt. Aus den drei Klassen sind sehr wenige in die Altbundesländer gegangen und, das freut alle eigentlich am meisten, fast hundert Prozent sind in Arbeit, bilanzieren die Organisatoren. Gute Gründe, um den Ehemaligen richtig einzuheizen. Zur Überraschung zieht plötzlich der Osterfelder Fanfarenzug auf. Mittendrin Lutz Burkhardt, der Chef der Truppe. Eingeschult wurde er ebenfalls 1963. Vor rund drei Jahren hat er den Fanfarenzug der Stadt wieder aufleben lassen. Besonders stolz ist Burkhardt auf die Auftritte beim Sachsen-Anhalt-Tag in Merseburg. Mit den Fanfarenklängen untermauert er, was die Anfangfünfziger aus den vielen Lebenswegen schon erfahren haben: "Aus uns ist richtig was geworden."