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Endstation Todesmarsch Endstation Todesmarsch: Diese Spuren hinterließ Paul Wegmann in Zeitz

Von Petrik Wittwika 08.12.2018, 17:00
Der Gedenkstein für Paul Wegmann am Thomas-Müntzer-Platz in Zeitz zeigt ein falsches Todesjahr.
Der Gedenkstein für Paul Wegmann am Thomas-Müntzer-Platz in Zeitz zeigt ein falsches Todesjahr. Petrik Wittwika

Zeitz - Über die Paul-Wegmann-Schule, heute ein fast verfallenes Gebäude am Thomas-Müntzer-Platz, wird wieder oft gesprochen, seit sie Teil eines Bildungscampus’ in Zeitz werden soll. Doch wer war ihr Namensgeber? Bekannt ist der Kreisjugendpfleger Paul Wegmann auch durch seine Arbeit im Widerstand in der Gruppe um den Zeitzer Arzt Gustav Flörsheim.

Die Anklageschrift des Generalstaatsanwalts beim Kammergericht Berlin zur „Gruppe Flörsheim“ vom 28. September 1936, der auch Paul Wegmann angehört, führt sieben weitere Angeschuldigte an. Dazu gehören Franz Krause und Kurt Jacob, die heute völlig in Vergessenheit geraten sind, sich als Zeitzer Sozialdemokraten aber aktiv am Widerstand gegen Hitler beteiligten.

Paul Wegmann hat Zivilcourage bewiesen

Sie bewiesen neben zahlreichen weiteren Sozialdemokraten und Kommunisten Zivilcourage in einer Zeit, in der vornehmlich der phlegmatische deutsche Kleinbürger, verwöhnt von den Vorzügen der propagierten NS-Volksgemeinschaft mit „Kraft durch Freude“ oder „Winterhilfe“, den tiefen Riss in Staat und Gesellschaft sowie die drohende Kriegsgefahr nicht zu erkennen vermag.

Auch Hilde Flörsheim, Ehefrau von Dr. Flörsheim, der wie allen anderen Angeklagten die „Vorbereitung zum Hochverrat“ zur Last gelegt wurde, befindet sich unter den Verhafteten, weil sie wie ihre Mitangeklagten „einen organisatorischen Zusammenhalt herzustellen oder aufrechtzuerhalten“ versucht hatte, und das geschah laut Anklage auch mittels „Beeinflussung der Massen durch Verbreitung von Schriften“.

Paul Wegmann: Sein Leidensweg führt ihn ins KZ Sachsenhausen

Nach Verbüßung seiner zweijährigen Haftstrafe wird Paul Wegmann im Dezember 1937 nicht freigelassen, sondern in „Schutzhaft“ genommen. Sein Leidensweg führt ihn ins KZ Sachsenhausen. Ehefrau Anna hat mit den drei Kindern Annelore, Dietrich und Wolfgang Zeitz bereits im Sommer 1937 verlassen und ist nach Berlin gezogen. In Ruhe lässt man Paul Wegmann auch nach seiner Entlassung aus der Haft nicht. Am 20. April 1940, dem Geburtstag des „Führers“, wird er aus dem Konzentrationslager „begnadigt“, wie es sein Sohn formuliert.

Aber das geschieht nicht ohne Hintergedanken, denn der „Waffenspezialist“, der auch bei Krupp angestellt war, wird als kriegswichtig eingestuft und dringend gebraucht. Nur einer couragierten Ärztin ist es zu verdanken, dass er diesen Dienst nicht antreten muss. Sie schreibt den im KZ schwer an Diabetes Erkrankten kurzerhand dienstuntauglich. Paul Wegmann arbeitet fortan in einer Buchhaltung als Angestellter.

Paul Wegmann: Im Untergrund wirkt er auch in Berlin

Im Untergrund wirkt er auch in Berlin. Längst hat der „Totale Krieg“ die Reichshauptstadt erfasst, und die Luftschutz-Brandwache, zu der er regelmäßig eingeteilt ist, wird dazu genutzt, um in dem Bürohaus in der Friedrichstraße mit Gleichgesinnten und Regimegegnern die Weichen für das Ende des NS-Systems und die Zeit danach für ein demokratisches und friedfertiges Deutschland vorzubereiten.

Nach dem missglückten Attentat auf Hitler im „Führerhauptquartier Wolfsschanze“ in Ostpreußen am 20. Juli 1944 gerät Paul Wegmann erneut ins Visier der Gestapo. „Marxistische Literatur“, die man bei einer Haussuchung in der Dahmestraße 69, im sogenannten Wohngebiet „Paradies“, findet, liefert im August 1944 den Anlass für die erneute Verhaftung des bekannten Sozialdemokraten und seine anschließende Inhaftierung im KZ Sachsenhausen, von wo er nie wieder zu seiner Familie zurückkehren wird.

Paul Wegmann hat Zeilen in ein kleines Heft notiert

Bereits während seiner Haftzeit im KZ Sachsenhausen hatte Paul Wegmann zu Beginn des Zweiten Weltkrieges folgende Zeilen in ein kleines Heft notiert:

„Noch einmal möchte ich mit meinen Kindern wandern, friedlich von einem Land zum andern und überall freien und frohen Menschen begegnen – dann will ich seelenruhig das Zeitliche segnen …“

In Erfüllung gehen sollte dieser letzte Wunsch von Paul Wegmann für ihn nicht. Mit anderen Häftlingen trat er vom Konzentrationslager Sachsenhausen im März 1945 einen mehrwöchigen Todesmarsch in Richtung des KZ Bergen-Belsen bei Hannover an, wo der schwer an Zucker erkrankte und unterernährte Paul Wegmann am 3. April 1945, wenige Tage vor dem Einrücken der Engländer, an Flecktyphus, der sich unter den Gefangenen wie die Pest ausgebreitet hatte, starb. In einem Massengrab, zusammen mit unzähligen anderen von den Nazis Ermordeten, endet seine bewegende wie tragische Lebensgeschichte. (mz)

Paul Wegmann, undatiertes Foto
Paul Wegmann, undatiertes Foto
Archiv SPD/Schreiber