Eine Truhe voller glänzender Schätze
ZEITZ/MZ. - Herbert Riedel hütet einen Schatz. Er besitzt ohne Frage eine außergewöhnliche Sammlung. Zum Beweis holt der Senior aus Aue-Aylsdorf ein Kästchen hervor und öffnet es. Darin schlummern Abzeichen vom deutschen Turnfest 1894 in Breslau, das nächste ist von 1898 in Hamburg, dann kommen 1903 Nürnberg und 1913 Leipzig und schließlich das 13. deutsche Turnfest 1923 in München. Doch Riedel hat sein Augenmerk vor allem auf die Geschichte des Männerturn-Vereins Aue-Aylsdorf gerichtet.
"Meine Tante Frieda Bernstein gehörte zu diesen Turnern. Allein von ihr habe ich 19 Abzeichen samt Wimpel, Festkarten und Urkunden", erzählt Riedel. Bereits 1881 gründeten 16 Anhänger diesen Verein. Vereinslokal war die Gaststätte "Waldschlösschen", der erste Turn- und Spielplatz befand sich im Tiergarten auf dem heutigen Gelände der Bahn. 1912 kaufte der Verein eine fast 6 000 Quadratmeter große Ackerfläche, links vor der Bahnunterführung in Richtung Zangenberg. Frieda Bernstein trat dem Verein 1921 bei und wurde Leiterin der Frauenabteilung. Sie selbst war bei vier deutschen Turnfesten dabei, so 1923 in München, 1928 in Köln, 1933 in Stuttgart und 1938 in Breslau. Sie brachte natürlich zahlreiche Souvenirs mit, nicht nur Abzeichen, sondern auch Ersttagsbriefe und Postkarten.
In Zeitz begann 1925 der Bau der Turnhalle. "Hier hat sogar mein Großvater mitgebaut, und nur einen Steinwurf weit von meiner heutigen Wohnung in der Bergstraße entfernt, stand einst ein Gedenkstein. Aber wo der geblieben ist, weiß ich auch nicht", sagt Riedel. 1933 zählte der Verein 130 Turner, 40 Frauen und 120 Kinder. Herbert Riedel hat zahlreiche Fotos, Dokumente und Urkunden bewahrt. Viele stammen natürlich von seiner Tante. Sie war Turnerin, spielte aber auch Faustball. "Zum 90. Geburtstag meiner Tante hatte ich die Idee, Historisches über diesen Zeitzer Verein zusammenzutragen, damit er nicht ganz in Vergessenheit gerät", erzählt der 77-Jährige.
Heute besitzt Riedel mehr als 100 Fotos, 220 Abzeichen und Medaillen rund um die Geschichte des deutschen Turnsports. Darunter zum Beispiel auch ein Fahnennagel aus Aue-Aylsdorf. In der Heimatstube in Kayna ist eine Fahnenschleife vom Männerturn-Verein Aue-Aylsdorf ausgestellt.
Den Verein selbst gibt es längst nicht mehr. 1941 wurde noch das 60-jährige Jubiläum groß gefeiert. Nach 1945 wurde der Turnverein wegen seines Eintretens für die Deutsche Turnerschaft enteignet. Die Arbeitervereine hatten das Sagen. Turnplatz und Halle wurden durch die Gemeinde Zangenberg zu einer anderen Nutzung vergeben. Doch wer heute mit wachen Augen durch Aue-Aylsdorf geht, entdeckt noch so manche Spur von diesem einzigartigen Stück der Zeitzer Vergangenheit.