Drahtseilbahn in Zeitz Drahtseilbahn in Zeitz: Wie Aktivisten das achte Weltwunder wieder belebten

Zeitz - Sie waren beim Festumzug 1050 Jahre Zeitz dabei, sie kredenzten Cocktails und boten Informationen zum Achten Weltwunder, wie die Zeitzer Drahtseilbahn genannt wird: Die Zeitzer Drahtseilbahnaktivisten machen ernst. 2012 gründeten sie einen Verein. Und es ist jetzt fast drei Jahre her, dass in Zeitz wieder eine Bergstation der Drahtseilbahn eröffnet wurde. Und das, weil sich engagierte Zeitzer gesagt haben: Die Drahtseilbahn, jenes technisches Meisterwerk, darf nicht in Vergessenheit geraten.
Und vor allem muss das Maschinenhaus zwischen oberem Wendischen Berg und Thomas-Mann-Straße, erhalten werden. Die Bergstation 2 des Vereins Historische Drahtseilbahn Zeitz, liebevoll und anspruchsvoll gestaltetes ehemaliges Ladenlokal in der Neumarktstraße, ist Treffpunkt, Veranstaltungsort und ständige Ermahnung, denn man blickt genau auf die eigentliche ehemalige Bergstation.
Im Frühjahr 1877 wurde mit dem Bau begonnen
Getan und erreicht haben die Drahtseilbahner schon einiges: Ausstellung, Vorträge, ständiger Austausch und Überlegungen, wie man mehr als nur Erinnerungsträger sein kann. Obwohl es die Erinnerungen auch wert sind...
Im Frühjahr 1877 wurde mit dem Bau begonnen, fünf Monate später war die Drahtseilbahn fertiggestellt: Zweibeiner, Vierbeiner, aber auch ganze Pferdewagen transportierte sie viele Jahre den Wendischen Berg in Zeitz hinab und vor allem hinauf. Noch heute gilt sie als eines der wichtigsten Denkmale, die Zeitz hatte.
Entstehung der Zeitzer Drahtseilbahn
Die Entstehung der Zeitzer Drahtseilbahn geht auf das Jahr 1870 zurück. Eduard Tretrop, Inhaber eines eigenen Baugeschäftes und Bahnmeister der Thüringischen Eisenbahngesellschaft, kam auf die Idee, die Oberstadt und die Unterstadt von Zeitz mit einer Seilbahn zu verbinden. Als Vorbild dienten die fünf bereits in Europa existierenden Standseilbahnen.
Am 3. März 1877 wurde nach Zustimmung der örtlichen Polizeiverwaltung die Baugenehmigung erteilt. Die gesamte Konstruktion und Bauleitung übernahm Tretrop selbst, alle Lieferungen und Leistungen wurden von ortsansässigen Unternehmen erbracht, der Bau erfolgte durch einheimische Arbeitskräfte: Das erste Zugseil drehte der Seilermeister Staake aus Eisendraht, eine beachtliche handwerkliche Leistung. Bereits am 28. Juli 1877 fand die erste Probefahrt statt, am 4. August erfolgte die behördliche Abnahme und am folgenden Tag war offizieller Start.
An der Talstation konnten Fuhrwerke auffahren
An der Talstation konnten Fuhrwerke über eine Kopframpe direkt auf den Seilbahnwagen auffahren. Die Wagen waren völlig offen und besaßen nur seitliche Geländer. An den Geländern befanden sich klappbare Sitzplätze für die Fahrgäste. Die Stirnseite des Wagens wurde durch eine Kette gesichert.
Das technische Wunderwerk blieb bis 1959 in Betrieb. Noch deutlich länger genutzt wurde das Backsteingebäude zur Thomas-Mann-Straße hin. Hier befand sich noch bis 1991 die Station junger Naturforscher und Techniker in Zeitz. Sie trug den Namen von Richard Leißling, der in Zeitz Lehrer war.
Am 25. Juni 1895 kam es zu einem schweren Unfall
Ganz ungefährlich war es aber auch nicht mit der Drahtseilbahn: Am 25. Juni 1895 kam es zu einem schweren Unfall, als sich ein Seilbahnwagen gerade bei der Beladung mit einem Fuhrwerk aus der Bergstation löste und ungebremst, die Pferde hinter sich herschleifend zu Tal fuhr. Der Schaffner rettete sich durch einen Sprung vom Wagen. In der Talstation verletzte der rasende Wagen ein Dienstmädchen schwer. Ursache des Unglücks war ein Zugseilriss.
Die Drahtseilbahn überwand auf einer Strecke von 305 Metern einen Höhenunterschied von 33 Metern. Die Fahrzeit betrug drei Minuten bei 1, 7 Meter pro Sekunde Geschwindigkeit. Angetrieben wurde die Bahn von einer dampfbetriebenen Zwillingsfördermaschine mit Doppelkessel - Leistung von 22 PS. Das Seil bestand aus 42 Einzeldrähten und hatte einen Gesamtdurchmesser von 20 Millimetern. Die Spurweite betrug gut 1,40 Meter, die Neigung 1:9,8. Das Doppelgleis mit Überholspur in der Mitte hatte ein Kiesbett.
Am 13. Juni 1888 kam es zu einem Unfall, als ein Wagen so stark an die Kopframpe der Talstation prallte, dass er zertrümmert wurde. Genau einen Monat später entgleiste ein Wagen, da sich Schienen von den verfaulten Schwellen gelöst hatten. Damit nicht genug: Am 18. August 1888 scheute ein Pferd auf dem anfahrenden Seilbahnwagen, am 7. Februar 1889 explodierte der Dampfkessel im Maschinenhaus. Dabei erlitt der Heizer Haase so schwere Verbrennungen, dass er daran starb. Und 1945 wurde ein Zwölfjähriger von einem Fuhrwerk erfasst und erlag den schweren Verletzungen.
Nach der Wiedereröffnung der Mühlgrabenbrücke
Alles Geschichte. Jetzt soll nach vorn geschaut werden. „Ein schöner Rücken ... unseres Festwagens zum Stadtjubiläum ziert bald, nach der Wiedereröffnung der Mühlgrabenbrücke, als Platzhalter die Talstation“, sagt Ralph Dietrich, „und verkündet allen Autofahrern unser Motto: In Zeitz geht’s bergauf!“ Und der Drahtseilbahner betont, Platzhalter bedeutet in dem Fall, dass danach tatsächlich etwas „Echtes“ entsteht.
Wer mehr darüber wissen will, findet Historische Drahtseilbahn e.V. auf Facebook und auf www.drahtseilbahn-zeitz.de (mz)