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Brühl 5 in Zeitz Brühl 5 in Zeitz: Requiem auf ein Denkmal

Von Petrik Wittwika 19.02.2018, 12:31
1989 war Brühl 5 noch bewohnt. Wie eh und je haben sich die letzten Mieter, hochbetagte Brühlantinnen, versammelt.
1989 war Brühl 5 noch bewohnt. Wie eh und je haben sich die letzten Mieter, hochbetagte Brühlantinnen, versammelt. Archiv/Petrik Wittwika

Zeitz - „Am Ende rückte er schließlich routinemäßig doch an“, könnte der Ironiker sarkastisch anmerken. Restlos beseitigte jedenfalls der Abrissbagger alle Spuren des zur „Bruchbude“ degradierten barocken Fachwerkdenkmals Brühl 5 in Zeitz mit unverkennbaren klassizistischen Einflüssen, Fragment der einstigen Ackerbürgerstadt und kulturhistorisch bedeutendes Hausensemble inmitten des ältesten Stadtteils von Zeitz, um das in einem jahrelangen Rechtsstreit gerungen wurde.

Daran ändern konnte letzten Endes auch eine höchste richterliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 18.08.2016 nichts, die der Stadtverwaltung den Totalabbruch untersagte und dem herausragenden Gebäudekomplex, der deutlich den Raumcharakter des Brühls prägte, besonderen Schutz zugesprochen hatte.

Brühl 5 in Zeitz: Erhalt wäre möglich gewesen

Dabei wäre der Erhalt, wie er spätestens seit 1986 vom damaligen Institut für Denkmalpflege in Halle für die gesamte historisch heterogene Bebauung der Ostseite des „großen Brühls“ dringend nach einer gutachterlichen Stellungnahme gefordert wurde, durchaus durchführbar und vor dem Hintergrund eines bereits gravierenden Substanzverlustes im Brühl auch städtebaulich notwendig gewesen. Vorausgesetzt, eine Rekonstruktion oder zumindest bescheidene Werterhaltung hätte dem zunehmenden Verfall der seit fast 30 Jahren leerstehenden städtischen Immobilie rechtzeitig ein Ende bereitet, denn bekannt und prioritär zugleich war der Zustand des Objekts seit Jahren allen damals verantwortlichen Ebenen sowohl in Zeitz wie auch in Halle oder Magdeburg.

„Wirtschaftliche Unzumutbarkeit“, wie sie die Zeitzer Stadtverwaltung auf Brühl 5 anzuwenden versuchte, wurde vom Gericht seinerzeit wohlweislich nicht anerkannt, da Denkmalschutz, reduziert auf wirtschaftliche Aspekte, allgemein zur Farce degradiert werden würde. Dabei hatten Abrissgegner und das Landesamt für Denkmalpflege die Rechnung ohne die hinterlistigen Holzschädlinge gemacht, welche sich seelenruhig seit Jahrzehnten durch das Gebälk arbeiteten, wie jüngste Untersuchungen ergeben hatten.

Brühl 5 in Zeitz: Ausschöpfung aller baurechtlichen Möglichkeiten

Dank des schnellen Eingreifens durch die Stadt unter Ausschöpfung aller baurechtlichen Möglichkeiten konnte nunmehr die Gefahr eines plötzlichen Einsturzes des Fachwerkbaus durch konsequenten „Rückbau“ gebannt werden. Was bleibt ist die Erinnerung an ein geschichtsträchtiges und stadtbildprägendes Haus, das als denkmalpflegerischer Sündenfall in die Annalen der Stadt eingeht, vor allem deshalb, weil Zeitz wieder ein Stück seiner selbst im Kerngebiet der Altstadt verloren hat.

Zum „barocken Fachwerkbau“, den der berühmte und nicht nur von Wissenschaftlern geschätzte „Dehio“, das „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler“, unter den für Zeitz erwähnenswerten Bauten erwähnt, gehört auch Brühl 5. Noch in den 1990er Jahren verdeutlichten eine im Hof gelegene Scheune und verschiedene Ställe den geschlossenen Vierseitenhof-Komplex.

Hofdurchfahrt mit den uralten grünen Torflügeln

Die große Hofdurchfahrt mit den uralten grünen Torflügeln passierten einst die vom Feld außerhalb der Stadtmauern heimkehrenden Pferdefuhrwerke oder noch Mitte des 20. Jahrhunderts die zur Schlachtung bestimmten, vorübergehend in den großzügigen Ställen untergebrachten Pferde des Rossschlächters aus der benachbarten Scharrenstraße 15. Bis zuletzt ließ die Fassade, insbesondere die geohrten Fenstergewände barocke Einflüsse auf allen Geschossebenen erkennen. Umgebaut und erweitert wurde das Haus mehrfach im Verlauf der Jahrhunderte.

Vor allem das Erdgeschoss des Vorderhauses ist ursprünglich auf einen Vorgängerbau zurückzuführen, wie die nach Abbruch von Brühl 6 freigelegte Seitenwand mit uralten Bruchsteinen offenbarte. Die erhaltene, von außen nicht vermutete herrschaftliche Raumabfolge im hofseitigen Fachwerkbau aus dem späten 18. Jahrhundert widerspiegelte die einstige Glanzzeit dieses bedeutenden Bürgerhauses trotz Verfalls. Sogar Deckenschmuck in Gestalt von schlichtem Stuck durfte dabei nicht fehlen.

Beachtlich war das auffallende und wuchtige Mansardendach dieses Fachwerkdenkmals. Dieses imposante Hintergebäude grenzte direkt an das ältere Vorderhaus, das mit diesem konstruktiv verbunden war.

Fachwerk hat das Stadtbild von Zeitz geprägt

Die Rückseite des Vorderhauses zierte neben dem Hofeingang Fachwerk in Gestalt von Andreaskreuzen und Wilder Mann. Auf herausgearbeiteten Balkenköpfen ruhte behäbig die Fachwerkwand, was ein malerisch altstädtisches Motiv erzeugte. Als unverkennbar stadtbildprägendes Fachwerkdenkmal genoss Brühl 5 nicht nur vom Blick aus Richtung Franziskanerkloster für die Unterstadt den Status, den die „Alte Mälzerei“ in der Oberstadt für sich beansprucht. (mz)

Als am 20. April 2017 Zeitz 1050 Jahre alt wurde, schaute der letzte Bewohner von Brühl 5, ein Kater, aus einem Fenster.
Als am 20. April 2017 Zeitz 1050 Jahre alt wurde, schaute der letzte Bewohner von Brühl 5, ein Kater, aus einem Fenster.
Petrik Wittwika