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Bildung  Bildung : Warum ein 35-Jähriger jetzt die Hauptschule beendet

Von Yvette Meinhardt 07.06.2016, 10:07
Weiche Knie vor der letzten mündlichen Prüfung: Maik Jentsch (l.) und weitere Leute wollen jetzt ihren Hauptschulabschluss nachholen.
Weiche Knie vor der letzten mündlichen Prüfung: Maik Jentsch (l.) und weitere Leute wollen jetzt ihren Hauptschulabschluss nachholen. Renè Weimer

Zeitz - Aufgeregt tigert Maik Jentsch im Flur der Sekundarschule in der Schillerstraße auf und ab. „Ich habe mir extra ein weißes Hemd angezogen, weil für mich heute ein besonderer Tag ist“, sagt der 36-Jährige. Für ihn steht die mündliche Prüfung im Fach Sozialkunde auf dem Plan, die letzte - dann hat er seinen Hauptschulabschluss in der Tasche. „Ich habe es geschafft, obwohl die Prüfung sehr schwer war. Aber Hauptsache bestanden“, sagt der Zeitzer.

"Das Schwierigste ist der Anfang"

Mit 36 Jahren auf die Schulbank? Ja, das sei ihm sehr schwer gefallen. Zehn Monate intensives Lernen beim Bildungs- und Beratungsinstitut (BBI) liegen hinter ihm. Er ist einer von neun Frauen und Männern, die beim BBI auf den Hauptschulabschluss vorbereitet wurden. „Das Schwierigste ist der Anfang, manchen fällt es schwer, wieder in einen festen Alltagsrhythmus zu finden, täglich früh aufzustehen und zu uns in die Schule zu kommen“, sagt Virginia Späth, Dozentin der BBI. Denn es handelt sich um eine Vollzeitmaßnahme, das heißt 40 Stunden wöchentlich über elf Monate.

Mathe, Deutsch, Sozialkunde, Geografie und Biologie standen auf dem Stundenplan. „Mir hat an so manchen Tagen so richtig der Schädel gebrummt“, erzählt Jentsch. Doch er hat es vor allem für seine Kinder getan. Denn er ist Vater von acht Kindern, sechs Jungen und zwei Mädchen. Fünf davon wohnen mit ihm unter einem Dach. Die Familie lebt von Hartz IV und der Vater verdient sich mit Pizzaausfahren etwas dazu. „Eines Tages kam mein elfjähriger Sohn Andre aus der Schule nach Hause und erzählte stolz, dass er wie sein Vater Pizza-Fahrer werden will. Doch das ist keine Perspektive für meine Kinder“, sagt der Vater. So fasste er den Entschluss, seinen Schulabschluss nachzuholen.

"Ich möchte Vorbild sein"

„In meiner Schulzeit hatte ich andere Flausen im Kopf und war bei den Lehrern nicht gerade gut angesehen, heute bin ich schlauer und möchte für meine Kinder Vorbild sein“, sagt Jentsch. Vor den Prüfungen war er mächtig aufgeregt, zumal diese auch noch in der Schule stattfanden, in die seine Söhne gehen. „Schlafen war in dieser Zeit absoluter Luxus“, sagt der 36-Jährige.

Doch ohne seine Lehrer bei der BBI hätte er es nicht geschafft. „Sie haben alles geduldig erklärt, mich motiviert und nicht locker gelassen. Wenn ich schon in meiner Schulzeit solche tollen Lehrer gehabt hätte, dann hätte ich bestimmt schon damals meinen Abschluss geschafft“, sagt Jentsch heute. Dabei hatte er vor Jahren schon mal Anlauf genommen, seinen Schulabschluss zu machen, doch die Maßnahme nach wenigen Wochen wieder abgebrochen.

Neue Pläne mit dem Abschluss

„Heute bin ich das beste Beispiel, dass man mit richtiger Willenskraft auch mit 36 Jahren noch seinen Schulabschluss schafft“, sagt er. Seit mehr als sechs Jahren fährt Jentsch in Zeitz Pizza aus, doch jetzt, mit einem Schulabschluss in der Tasche, hat er andere Pläne. „Ich möchte jetzt eine Lehre machen. Mein Traumberuf war schon immer irgendwas mit Kfz, dabei habe ich schon ein Praktikum in einer Werkstatt gemacht“, verrät er.

Zu Hause im Hof nimmt er Mopeds auseinander und schraubt sie auch wieder zusammen, repariert Fahrräder und das Familienauto. Er möchte gern in einer kleinen Werkstatt anfangen, sucht eine Ausbildung und danach eine Arbeit. „Ich möchte für meine Kinder Vorbild sein“, so sagt er. (mz)