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Auslandseinsatz Auslandseinsatz: Zeitzer Gemeindepädagoge arbeitet für ein Jahr in Namibia

Von Alexander Baumbach 16.03.2013, 16:00
Der Zeitzer Pfarrer Martin Zander (2.v.l.) mit Pfarrern in Windhoek
Der Zeitzer Pfarrer Martin Zander (2.v.l.) mit Pfarrern in Windhoek Privat Lizenz

Der Zeitzer Martin Zander arbeitet seit zehn Monaten in Namibia. Er ist ordinierter Gemeindepädagoge und arbeitet für ein Jahr an der Christuskirche der Hauptstadt Windhoek. „Nach dem Examen hatten wir beide die Chance dazu - und wir haben sie genutzt“, erklärt der junge Mann im MZ-Gespräch am Telefon, der mit seiner Frau und dem zwei Jahre alten Sohn im Süden Afrikas lebt.

Seitdem hat Zander, der sein Vikariat in Zeitz absolvierte - viel gesehen - und viel zugehört in dem Land, das auf eine unruhige Geschichte in den letzten 150 Jahren zurückblickt. „Das wichtigste ist, dass man nicht mit seinem Schulbuchwissen hier auftaucht und dann den Einheimischen erklärt, was sie für Fehler machen.“

Von der Sowjetunion unterstützt, hatte die SWAPO (Südwestafrikanische Volksorganisation) seit den frühen Siebziger Jahren für eine Unabhängigkeit von Südafrika gekämpft, die seit 1920 das heutige Staatsgebiet als Mandatsgebiet des Völkerbundes, später der UNO zugeteilt bekommen hatte. Gerade die Apartheid-Politik des südlichen Nachbarn hat bis heute Spuren in der Gesellschaft des Landes hinterlassen. „Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weit auseinander, und das ist ein soziales Problem, kein ethnisches“, erklärt er. Altersarmut und Verelendung trage auch zu einer hohen Kriminalität im Land bei - „Aber trotzdem fühlen wir uns sicher. Einzig die hohen elektrischen Zäune und die vielen Alarmanlagen geben uns ein wenig das Gefühl des ,Ausgesperrtseins’“, erklärt er.

„Aber die weitaus interessantere Frage, auch bei Mitgliedern unserer Gemeinde, ist heutzutage der Besitz von Land“, erklärt Zander. Gerade bei den farbigen Namibiern sei dies ein Statussymbol, das ihnen während der Apartheid verweigert wurde. „Man hat hier das Gefühl, jeder will ein Farmer sein“, berichtet Zander.

Die Rolle der Kirche sieht er dabei, gute Gesprächsgrundlagen zwischen den verschiedenen Interessengruppen im Land zu schaffen. Das Angebot wird auch genutzt. „Generell spielt die Kirche in Namibia - wie auch in ganz Afrika - eine wesentlich größere Rolle im öffentlichen Leben, als das in Deutschland der Fall ist“.

Über 90 Prozent der Bevölkerung seien gläubige Christen. „Hier gibt es ja alles - angefangen von den Lutheranern über die Baptisten bis zu Pfingstlern, fünf Moscheen in Windhoek und einer kleinen jüdischen Gemeinde“, zählt Zander auf. „Aktiv in einer Kirche zu sein, gehört hier dazu - und es steckt auch viel Leben in den Gemeinden“, erzählt er. Das müsse auch so sein - schließlich gäbe es keine Kirchensteuer in dem Land, die Gemeinden finanzierten sich über Beiträge und Spenden. „Das bedeutet nun aber nicht, dass wir hier jedem nach dem Mund reden - eher im Gegenteil, es hilft sogar noch, das theologische Profil zu schärfen“, sagt er.

Auch in der Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit - besonders der Greultaten während der Herero und des Nama-Aufstandes - spiele die Kirche eine Rolle als Moderator. „Da sitzen noch viele Probleme ganz tief - weil es nie eine richtige Aufarbeitung wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben hat“, erläutert der Gemeindepädagoge, die Eindrücke, die er gewonnen hat. Die Wunden, die das Kaiserreich in „Deutsch-Südwest“ schlug, sind nicht der einzige Einfluß, der von Deutschland aus Namibia beeinflußte. „Die Swapo, die ja bis heute regiert, ist eine Bewegung, die ihr Überleben zu weiten Teilen dem ehemaligen Ostblock zu verdanken hat“, erklärt er. Die DDR unterstützte die Swapo und bildete junge Namibier in der DDR aus. „Das bekannteste von ihnen ist ,Kind Nr. 95’ - Lucia Engombe - so auch der Titel ihres gleichnamiges Buch“, erklärt Zander. Die Frau, die heute für den Sender NBC arbeitet, wurde als Siebenjährige aus einem Flüchtlingslager in Sambia in die DDR gebracht und hier erzogen. Nach der Wende musste sie wieder zurück in ihre nun fremde Heimat.

Martin Zander nimmt viel Erfahrung mit aus Afrika. „Wenn man einen Kollegen vertritt, dann kann das bedeuten, dass man 3 Stunden zur Beerdigung fahren muss“, erzählt er. Oder schwitzend in einem ausgetrockneten Flußbett eine Trauung vollzieht. „Das war meine erste Hochzeit überhaupt“, erzählt der junge Mann. Und auch für die Familie hat sich etwas geändert. „In Deutschland waren wir Vegetarier - hier haben wir mit Freunden oft den Grill angeschmissen und das leckere Fleisch gegessen“, sagt er. Auch der Urlaub kam für Zanders nicht zu kurz. „Wir haben uns das ganze Land angesehen - von Swakopmund bis zum Caprivi-Zipfel ganz im Osten, von Norden bis nach Süden“, sagt er. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland werden die Zanders Sachsen-Anhalt treu bleiben. „Ich werde in Kusey in der Altmark die Jugendarbeit und Teile des pfarramtlichen Dienstes übernehmen, Josefine wird Religionslehrerin an einer Grundschule.“

Familie Zander nutzt die Zeit in Afrika auch für ausgedehnte Touren durch das Land.
Familie Zander nutzt die Zeit in Afrika auch für ausgedehnte Touren durch das Land.
Privat Lizenz