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Aufgeregte Kinder am Tag der Hoffnung

Von Holger Zimmer 20.06.2005, 15:00

Achenheim/MZ. - "Corax" den Raben, der sie im Französisch-Unterricht begleitet, haben die Großkorbethaer Grundschüler mitgenommen. Und mancher hat sein eigenes Plüschtier dabei, als es mit Busfahrer Roland Penz vom Merseburger Omnibusbetrieb Reinking GmbH auf die Reise zur Jugendunterkunft in Oberkirch auf deutscher Seite, zum Europa-Parlament im französischen Strasbourg und zur Grundschule in Achenheim im Nachbarland geht.

Vor über 13 Monaten hatte der CDU-Europa-Abgeordnete Horst Schnellhardt die Kinder eingeladen. Sie waren seinerzeit beim Wettbewerb zum europäischen Sprachensiegel leer ausgegangen. Und weil die Preise an Schulen im grenznahen Raum gegangen waren, hatte das den Großkorbethaer Bürgermeister Johannes Drewitz auf den Plan gerufen. Denn zwangsläufig erleichtere ja die Nähe zum Nachbarn die Verständigung, so das Argument. Schnellhardt hat deshalb die Kinder auf seine Weise unterstützt und sogar den Besuch des Europa-Parkes Rust ermöglicht.

Mit verschiedenen Ausnahmegenehmigungen, großen Erwartungen, viel Begeisterung und Kribbeln im Bauch sind sie nun unterwegs. Was würde auf sie, die bisher bestenfalls mal in den Saalfelder Märchenpark oder den Leipziger Zoo gefahren sind, zukommen? Die Anspannung ist auch Schulleiterin Dörte Kleine, Klassenleiterin Dagmar Kuhlert und den beiden mitfahrenden Muttis, Heike Krispin und Simone Neubert, anzumerken. Frau Kleine redet davon, dass sie hoffe, die Mädchen und Jungen könnten ihre Sprachkenntnisse anwenden, sich öffnen und lebenstüchtiger werden. Und vielleicht lasse sich ja auch eine Schulpartnerschaft anbahnen. Anna Wartemann spricht vom Münster in Strasbourg, das sie gern sehen möchte und davon, dass sie mehr Französisch lernen will. Nadine Beck ist gespannt auf den Europa-Park, auf das miteinander Spielen und auf jene Französin, der sie schon geschrieben hat. Nick Edel war schon mal in Paris und hofft, dass seine Briefpartnerin ein wenig mehr Deutsch beherrscht als er Französisch. Ähnlich äußert sich auch Lucas Schmidt.

Am Vormittag nach dem Besuch von Parlament und dem Stadtrundgang geht alles ganz schnell. Die Kinder in Achenheim warten bereits. Sie kommen zum Bus, haben sich kleine Schilder mit ihren Namen auf die Bekleidung geklebt und auch welche für die Ankömmlinge vorbereitet. Sie führen in Deutsch einen Sketch auf und singen "Dankeschön, Herr Doktor". Die Großkorbethaer revanchieren sich in der Landessprache mit dem Spiel vom Pfannkuchen.

Mitarbeit von allen

Es bleibt keine Zeit für Hemmungen. Helene Poinsignon verteilt Blätter, auf denen mit Ziffern die Buchstaben vorgegeben und Worte zu bilden sind. In den Teams, die sich finden, ist Mitarbeit von allen gefragt. Nick und Emilie geben ihr Blatt zuerst ab, ernten ein "Superb" und bekommen jeder einen Bleistift. Bevor es in die Mittagspause geht, müssen die einzelnen Bundesländer ausgeschnitten und zusammengefügt werden.

Die 50-jährige Lehrerin muss zwischendurch manche Frage beantworten. Sie selbst stammt aus dem Ort, hat einen Pariser geheiratet, kehrte zurück und unterrichtet seit 18 Jahren in der Einrichtung. Hier im Elsaß werde schon immer Deutsch unterrichtet, schließlich sei die Grenze nicht weit weg, würden viele auch auf der anderen Rheinseite arbeiten. Ab der ersten Klasse habe man den Unterricht. Dreimal eine Stunde lernen die jetzigen Fünftklässler, die aber ein Jahr zeitiger in die Schule gekommen sind als die Großkorbethaer. Im übrigen Frankreich können die Grundschüler eine Sprache wählen. Ob die Mädchen und Jungen nach dem Wechsel aufs College auch weiterhin Deutsch haben? "Ein Drittel wählt dieses Fach, die anderen haben Englisch."

Getobt wird auf dem Schulhof, bevor die Kinder durch den Ort auf Exkursion gehen und die deutschen und französischen Wörter für Rathaus, Bäckerei und Sportplatz finden müssen. Dann ist großer Bahnhof angesagt. Nicole Fontaine hat sich angesagt, als ehemalige Präsidentin des Europa-Parlamentes Namensgeberin der Schule, aber keine Achenheimerin.

Mit lautem Jubel und mit Fähnchen winken wird sie begrüßt. Sie ehrt die fünf Preisträger eines Wettbewerbes, bei dem es in Bild und Schrift um Europa ging. Nach der Absage der Franzosen an die EU-Verfassung - die Elsässer stimmten hingegen mit rund 65 Prozent für diese - sei das heute ein Tag der Hoffnung und eine Lektion für die Ablehner. Europa, das seien letztendlich auch die Jugendlichen aus Frankreich und Deutschland.

Mehr Freude am Lernen

Ob eine Partnerschaft über knapp 600 Kilometer möglich ist? Nach diesem Tag hätten das wohl alle unterschrieben. Lehrerin Catherine Mertz, die die Begegnung mit angebahnt hatte, spricht vom Spaß, "den die Kinder hatten. Ihnen ist Europa nun viel näher gekommen". Und Horst Schnellhardt verweist auf die Sprache als große Hürde für eine Gemeinsamkeit. Doch nach einer solchen Begegnung hätten die Kinder viel mehr Freude, eine solche zu erlernen. Kommentar