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Abschied nach 50 Jahren im Beruf Abschied nach 50 Jahren im Beruf: Schuster trennt sich vom Leisten

Von Yvette Meinhardt 27.06.2003, 16:23

Weißenfels/MZ. - "Mit mir stirbt eine ganze Schuhmacher-Familie aus", zieht der 66-Jährige Bilanz. Schon seine beiden Urgroßväter lernten um 1880 jenes Handwerk von der Pike auf. Großvater und Cousin blieben den berühmten Leisten ebenfalls treu und führten die Familientradition fort. "Als ich zwölf Jahre alt war, stand ich zum ersten Mal in der Werkstatt. Diese war gleich unten in unserem Haus", erzählt Friedrich von seinem Heimatort Nessa. 1952 begann der damals 14-jährige bei Orthopädie-Schuhmacher Rudi Pöhlitz in Weißenfels seine Lehre. Für die Ausbildung brauchte er ein halbes Jahr weniger als gleichaltrige Weggefährten. So erhielt er vorfristig seinen Gesellenbrief mit staatlichem Diplom. Danach meldete sich Friedrich zur Abendschule an, und 1957 zur Meisterprüfung. "Ich fertigte für meinen Vater ein Paar schwarze Halbschuhe in ganz spezieller alter Handwerkstechnik", weiß der Jubilar noch heute. 1958 gelang das Meisterstück.

Kurze Zeit später übernahm der junge Mann den Betrieb. "Das war gar nicht so einfach, schließlich war ich auf einmal der Chef des Altgesellen", blickt Friedrich heute zurück. Werkstätten fusionierten im Laufe der Jahre, aus Privatbetrieben entstanden die Produktionsgenossenschaften (PGH), später das Dienstleistungskombinat.

1993 wechselte Friedrich noch einmal, ging zum privaten Handwerk zurück. "Ich habe bei Friedrich gelernt, mein Vater kannte ihn von der Arbeit beim DLK", sagt sein heutiger Arbeitgeber Uwe Petters. Der Alt-Meister habe ein ganz besonderes "Händchen".

Unzählige Füße nahm Friedrich Maß, fertigte unendlich viele Einzelstücke. "90 Prozent der Schuhmacher-Kunst besteht im Anfertigen des passenden Leisten", erklärt der Senior. Die ganz persönliche Kundenberatung, das exakte "Abformen" des Fußes, Maß nehmen und Leistenbau seien in diesem Handwerk das alles entscheidende Kriterium. Das Maß über Ballen, Zehen, Hacken, der Umfang in Zentimetern und der Schaft prägen die Form. Ob orthopädische Sandale oder hoher Schuh - für jeden Kunden gibt es den ganz individuellen Leisten. Ein ganzes Sammelsurium von jenen Originalen lagert auf dem Boden des Geschäftshauses in der Weißenfelser Großen Kalandstraße. Die meisten Kunden kennt Friedrich seit Jahren, gelegentlich hängen die "Schuhaufträge" an seiner Tür in Großkorbetha. Auch in den Petters-Werkstätten von Leipzig und Gera erfüllt der erfahrene Meister Kundenwünsche.

"Ich selbst habe dreimal so viele Schuhe wie meine Frau", plaudert der Meister. Ob Stiefel mit echtem Schafspelz, Wanderschuhe oder Glocks - Friedrich trägt nur Exemplare der Marke Eigenbau. Er selbst nennt sich "einen unruhigen Geist". Die freie Zeit will der Rentner für den Garten in Großkorbetha nutzen. Auch der Enkel wartet auf Opa. Am Sonnabend reist er zu ihm, vielleicht hat der Kleine das Schuhmacher-Gen geerbt? Insgeheim freut sich Volkmar Friedrich auf die Urlaubszeit, dann will er in Weißenfels die Vertretung übernehmen.