Abrechnungsbetrug Abrechnungsbetrug: Hat Ärztin aus Zeitz Hunderte Notfälle erfunden?
Halle (Saale)/Zeitz - Eine Ärztin aus Zeitz muss sich seit Montag vor dem Landgericht in Halle verantworten. Ihr wird vorgeworfen, zwischen Juli 2008 und April 2012 normale Behandlungen als Notfälle bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abgerechnet zu haben. Dadurch sei ein Schaden von über 15.000 Euro entstanden, so die Staatsanwältin in ihrer Anklageschrift.
Bevor es überhaupt losgehen konnte, versuchte die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens beide Parteien zu einem Vergleich zu überreden. Nach einem einstündigen Gespräch aber machte die Staatsanwaltschaft nur den Vorschlag einer gemilderten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung.
Die Verteidigung dagegen wollte geklärt wissen, wann ein Notfall ein Notfall sei und lehnte das Angebot ab. Zudem meinte Rechtsanwalt Stefan Schwarz, dass seine Mandantin nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe.
Abrechnungen manipuliert?: Ex-Freund hatte Ärztin bei der Polizei angeschwärzt
Darüber hinaus brachte Schwarz den ehemaligen Lebensgefährten Stefan Z. ins Spiel, der bei den Abrechnungen kräftig mitgemischt haben soll. Dieser war dann auch der erste Zeuge und sorgte für einigen Unmut bei allen Beteiligten. Denn aufgrund eines Briefes von ihm an die Polizei und an die KV war die ganze Sache erst ins Rollen gekommen, am ersten Verhandlungstag aber wollte er sich kaum noch erinnern. „Ich kann Sie auch in Beugehaft nehmen, wenn Sie hier nichts sagen wollen“, drohte die Richterin. Denn in dem Brief hieß es noch, „dass ich Abrechnungen machen musste und auf ihre (die Angeklagte; die Red.) Anweisungen hin manipulieren sollte“, so Z., der das auf dem Zeugenstuhl dann aber relativierte.
Ärztin wegen Betruges angeklagt: Ehemaliger Lebensgefährte will sich vor Gericht nicht mehr an alles erinnern
Denn seiner Aussage nach war er damals sauer, dass sich die Angeklagte nach sieben Jahren von ihm getrennt hatte. „Ich habe damals sicher ein wenig übertrieben und einige falsche Behauptungen gemacht. Aber ich kann mich jetzt auch nicht mehr daran erinnern“, so der Zeuge. Die Angeklagte würdigte ihn erst gar keines Blickes, schaute ihm dann aber direkt in die Augen, als es um die Vorwürfe ging.
Sie hatte ihn bei sich wohnen lassen, ihm einen Job in ihrer Praxis gegeben und mit Ferienhaus in Frankreich und Segelscheinen ein schönes Leben geboten, wie Verteidiger Schwarz aus ihm herausbekam. Über die Gründe der Trennung wurde nichts bekannt.
Die zweite Zeugin war Angelika M, die 13 Jahre am Empfang der Praxis der Angeklagten gearbeitet hatte. Auch sie habe nichts mit den Abrechnungen zu tun gehabt und war der Meinung, „dass Z. bei den Abrechnungen mit dabei war. Der hat sich teilweise Dinge angemaßt, die nicht koscher waren“, meinte die Zeugin und wurde mit dem Spruch „Augen auf bei der Partnerwahl“ von Richterin Mertens bestätigt. Diese stand noch sichtlich unter dem Eindruck des vorangegangenen Auftritts des ersten Zeugen.
Ärztin aus Zeitz hatte bis zu 325 Notfälle pro Jahr abgerechnet
Warum Mertens 13 Tage für die Verhandlung anberaumt hatte, wurde dann beim dritten Zeugen deutlich. Denn Polizeiermittler Guido F. brachte einige Zahlen mit in den Saal, die die Angeklagte zwar noch in arge Nöte bringen könnten. Aber gerade hier wurde deutlich, dass die Frage nach dem „Wann ist ein Notfall ein Notfall?“ noch ausgiebig geklärt werden muss.
Eine kleine Diskussion gab es diesbezüglich während der Zeugenaussage von F. zwischen der Vorsitzenden Richterin und der Angeklagten. „Bereitschaft zu haben, hat nichts mit Notfällen zu tun“, meinte Mertens.
Aufgrund der Zahlen habe die Ärztin im Schnitt sieben- bis achtmal so häufig wie vergleichbare Ärzte im Zeitzer Stadtgebiet abgerechnet. Die kamen auf höchstens 50 Fälle pro Jahr, während die Angeklagte im Spitzenjahr 2009 immerhin 325 Behandlungen als Notfälle bei der KV abgerechnet hatte.
Der Kripobeamte berichtete von der Befragung mehrerer Patienten, die mehrheitlich der Meinung waren, dass es sich bei ihnen nicht um einen Notfall gehandelt habe. (mz)