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Zeitarbeitsfirma in Wittenberg Zeitarbeitsfirma in Wittenberg: "Mitarbeiter sind keine Nummer im Computer"

26.07.2017, 07:00
Maik Ziehe in seinem Büro in der Dresdener Straße in Wittenberg
Maik Ziehe in seinem Büro in der Dresdener Straße in Wittenberg Thomas Klitzsch

Wittenberg - Es gibt Professionen, mit denen lässt sich Geld verdienen, doch Achtung der Mitmenschen wird damit nicht unbedingt erworben. Atomlobbyisten können davon ein Lied singen genau wie Investmentbanker oder Dax-Manager. Auch der Ruf von Journalisten ist nicht der beste. Zeitarbeitsfirmen gehören zu jener Spezies, die alles andere als angesehen sind. Zu Unrecht? Die MZ sprach darüber mit Maik Ziehe. Der Mann ist seit 1993 in der Zeitarbeit tätig und seit 2000 Geschäftsführer der PSL Elbe GmbH in Wittenberg. Mit dem Chef sprach Michael Hübner.

Die MZ hat in einem Beitrag vom „Heuern und Feuern“ als umstrittenes Konzept von Zeitarbeitsfirmen geschrieben. Das hat Sie verärgert

Ziehe: Da kriege ich immer einen dicken Hals. Wir haben 46 Arbeitnehmer, davon sind 41 Prozent länger als ein Jahr bei uns, vier sogar über zehn Jahre und weitere fünf über fünf Jahre. Wir haben uns auf die Metallbranche und den produzierenden Bereich spezialisiert, und da gibt es zur Zeit genug Arbeit. Allerdings wollen die Unternehmen qualifizierte Fachkräfte. So werden zum Beispiel erfahrene Schweißer und Schlosser benötigt. Und das wird auch in Zukunft so bleiben. Leider besteht kaum noch Interesse an einer Ausbildung in diesen Berufen. Neben der Qualifikation ist auch die Einstellung zur Aufnahme einer Tätigkeit ein entscheidendes Kriterium.

Die Unternehmen melden also den Arbeitskräftebedarf Ihrer Firma. Warum eigentlich nicht der Arbeitsagentur?

Über das Thema möchte ich eigentlich nicht reden. Die Agentur nennt die Menschen, die sie betreut, Kunden!? Der Sinn hinter diesem Begriff erklärt sich mir nicht. Ich kann Ihnen gern unsere Philosophie erläutern. Unsere Mitarbeiter sind unser Kapital. Bei uns sind Mitarbeiter keine Nummer im Computer, sondern wir kennen alle persönlich und wissen daher um ihre Stärken und Fähigkeiten. Dies minimiert das Risiko, dass der Mitarbeiter fachlich nicht den Vorstellungen der Arbeitgeber entspricht, und motiviert den Mitarbeiter, da er in ihm bekannten Bereichen auf sicherem Terrain eingesetzt wird.

Ehrlichkeit, Transparenz und Fairness gegenüber den Mitarbeitern in allen Situationen ist unser oberster Grundsatz. Wir schätzen unsere Mitarbeiter und Geschäftspartner, und behandeln sie ehrlich. Für uns bedeutet das, wir beantworten die Fragen bzw. Anfragen nicht nur, sondern wir sagen dabei auch die Wahrheit – und zwar ohne ausschweifende Erklärungen oder Schönfärberei. Unsere Beratungen und Gespräche sind sehr zeitintensiv, Zeit, welche die Mitarbeiter der Agentur einfach nicht haben.

Kritiker der Zeitarbeit monieren, dass auf diese Weise reguläre Arbeitsplätze abgebaut werden.

Der Vorwurf, der ja zuerst die Unternehmen treffen würde, ist veraltet. Inzwischen werden Arbeitnehmer häufig in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen. Das ist für den einzelnen gut, für uns als Firma natürlich nicht. Wir erhalten für diese aus Sicht der Menschen Erfolgsgeschichte keine Prämie. Kopfgeld wird also nicht gezahlt. Richtig ist, dass es Firmen gibt, die auf Zeitarbeit setzen. Und den Rahmen dafür steckt der Gesetzgeber ab. Deshalb ist Kritik an Unternehmen, die eine solche Betriebsphilosophie bevorzugen, auch nicht gerechtfertigt.

Spätestens jetzt müssen wir über Lohn und soziale Absicherung reden.

Das ist überhaupt kein Problem. Es gibt praktisch keine Unterschiede. Sie können sich auf unserer Homepage umschauen. In allen Job-Offerten steht, dass nach dem gewerkschaftlichen Tarif inklusive Branchenzuschlägen entlohnt wird. Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden gezahlt. Und es besteht Anspruch auf bis zu 30 Tage Jahresurlaub. Der Einstiegsstundenlohn für Facharbeiter in der Metallbranche beträgt 10,52 Euro, liegt also deutlich über dem vom Gesetzgeber geforderten Mindestlohn. Entsprechend den Branchentarifverträgen, die für die gesamte Zeitarbeitsbranche verpflichtend sind, gibt es dann nach gesetzlich bestimmten Zeiträumen weitere Lohnerhöhungen.

Im Kreis herrscht akuter Fachkräfte- und Personalmangel. Warum setzen Unternehmen und die Politik, die zum Jahresende einen Rückkehrertag organisiert, nicht verstärkt auf die Geflüchteten?

Die Unternehmen würden das gern tun. Es gibt sogar spezielle Anfragen. Es scheitert aber an der Verständigung, an der Sprache. Offensichtlich reicht die Qualität des Deutschunterrichts nicht aus. Warum das so ist, muss aber die Politik beantworten.

(mz)