"Woran Du Dein Herz hängst" "Woran Du Dein Herz hängst": Ein Jahr Wittenberg in 107 Minuten

Wittenberg - Für Peter Benedix ist es ein großer Abend. Der Dokumentarfilmer sieht Hunderte Menschen strömen, viele fragen ihn, ob er aufgeregt ist. „Ich bin noch so abgelenkt, ich hatte noch keine Zeit für Aufregung“, meint er. Bei den Wittenbergern ist Aufregung sicher nicht das richtige Wort, eher Neugier.
Überraschen lassen
„Wir wollen mal schauen, was wir im vorigen Jahr verpasst haben“, sagt Winfried Melzer. André Gemkow ist gespannt auf die Zeitraffer-Aufnahmen vom Stadtkirchturm und natürlich alles andere. „Man hat ja nicht alles gesehen, da war so viel Schönes. Davon lasse ich mich jetzt überraschen.“
Es sei wie ein Sommertraum gewesen, erinnert sich die Pratauerin Anke Zugehör an 2017: „Es macht Lust, das alles wieder zu erleben. Ich freue mich, es wieder zu sehen.“
Rund 570 Plätze bietet das Stadthaus Wittenberg, nur wenige bleiben frei an diesem Freitagabend. Es gibt eine Wittenberg-Premiere zu sehen, „Woran du dein Herz hängst“ zeigt das Reformations-Jubiläumsjahr aus der Sicht des Filmemachers. „Nicht nur fotografieren, schöne bunte Bilder, sondern dokumentarisch das Geschehen aus der nötigen Distanz betrachten“, weiß Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör um die Schwierigkeit, nicht im Nachhinein einer gewissen Verklärung der Dinge zu unterliegen.
Die Weltpremiere von „Woran du dein Herz hängst“ soll es erst im Herbst geben. Peter Benedix hat seinen Film beim Dokumentarfilmfestival Leipzig eingereicht, das Ende Oktober/ Anfang November stattfindet. „Ursprünglicher Aufhänger war das Fußballspiel gegen den Vatikan, das wuchs dann mit der Zeit“, erinnert er sich.
Benedix dankt den Förderern des Projekts, die eingesprungen sind, nachdem andere Geldgeber kurzfristig abgesprungen waren. Und er betont: „Er ist zwar von einem Wittenberger gemacht, aber kein Film für Wittenberger. Wir waren alle dabei.“
Es sei kein Werbefilm, hatte Peter Benedix im Vorfeld mehrfach erklärt. Und das ist er gewiss auch nicht. Der Regisseur begleitet ein Dutzend Akteure in Wittenberg, fängt ihre aktuelle Stimmung ein, die sich zuweilen über Monate hinweg von Erwartung zu Enttäuschung, von Begeisterung zu Erschöpfung wandelt. Da ist zum Beispiel die Touristikerin Kristin Ruske, die erstaunt ist über den Geschmack der Gäste, was Souvenirs betrifft.
Da ist Rikscha-Fahrer Uwe, der lange auf Kundschaft warten muss. Pfarrer Johannes Block, der das Verhältnis der Christen zu den Atheisten reflektiert. Und Toilettenwart Jörg, der pragmatisch kommentiert, dass sich nun die ganze Welt auf Wittenbergs Toilette trifft.
Es gibt Szenen zum Lachen und Nachdenken, kritische Stimmen zu den Kosten des Kirchentages und ganz viele Bilder, die bei jedem eine andere Emotion auslösen. Ob das Fußballspiel gegen die Vatikan-Mannschaft oder die Taizé-Nacht auf den Pratauer Elbwiesen, ob Weltuntergangsprediger oder Segensroboter, der Film nimmt jene, die dabei waren (sei es nur für einen Tag), mit in ein Wechselbad der Gefühle.
Persönliche Vorlieben
Ein ganzes Jahr in 107 Minuten zu reflektieren scheint unmöglich. Natürlich hätte sich mancher mehr von den einzelnen Veranstaltungen gewünscht, da hat jeder seine Vorlieben. Für Jochen Scholz aus Berlin ist die Arbeit in Wittenberg, was das Reformationsjubiläum betrifft, auch gerade erst vorbei.
„Heute war mein letzter Arbeitstag“, erzählt der 60-Jährige, der drei Jahre beim Verein r2017 tätig war, über seine Arbeit, die er als „sehr erfüllt“ beschreibt. „Es gab so viele tolle Begegnungen und die witzige Erfahrung, über Monate mit immer denselben Menschen vom Südkreuz hierher zu fahren.“
Es gibt kein Schlusswort. Die Menschen applaudieren und reden miteinander. Das gilt es mitzunehmen in die Zeit 2017+. (mz)
Peter Benedix hat die Dreharbeiten zu der Dokumentation "Woran Du Dein Herz hängst" in einem Weblog begleitet.