Wohnpark West in Wittenberg Wohnpark West in Wittenberg: Ein generationenübergreifendes Projekt

Wittenberg - Klar haben auch welche gemault. Viel zu modern. Kein Keller. Und wo soll die Schrankwand hin? Rando Gießmann steht im Festzelt, hinter ihm der Lärm der Dessauer Straße, vor ihm auf Bierbänken die neuen Mieter und erinnert an die eine oder andere Debatte der vergangenen 15 Monate. Das kann ihm leicht fallen, der „Wohnpark West“ ist längst vermietet. Der Bauherr Wiwog ist im Kostenrahmen geblieben, im Zeitrahmen sowieso. Was will man mehr? Drei weiße Blöcke scharen sich um einen rasengrünen Innenhof, darin ein großes Rondell mit Sitzbänken, ein Spielplatz und ja, tatsächlich Wäschestangen. Lang gestreckte Holzhäuschen neben den Wohngebäuden tarnen Müll- und Fahrradabstellplätze. Der Rasen sprießt schon ganz ordentlich. Hier drinnen ist es viel ruhiger, als die vielbefahrene Dessauer Straße vermuten ließe.
Eigenes Haus verkauft
„Wir sind sehr begeistert“, sagt Sarah Liesigk. In Kürze wird sie mit ihrer Familie, ihrem Mann Tim und dem kleinen Sohn Justin hier einziehen. Die Liesigks geben für die neue Mietwohnung in Wittenberg-West sogar ihr eigenes Haus in der Elstervorstadt auf. Balkon statt Garten, das vertrage sich besser mit ihren stressigen Berufen, sagt Sarah Liesigk, die als Krankenschwester im Dreischicht-Betrieb arbeitet. Es gebe Einkaufsmöglichkeiten und Justin wird auch keinen langen Schulweg haben, wenn er nächstes Jahr eingeschult wird.
Der Wohnpark West ist das erste große Wohnbauobjekt der Wittenberger Wohnungsbaugesellschaft Wiwog nach der Wende und markiert zudem einen Meilenstein in der Entwicklung des von Überalterung geprägten Stadtviertels. Entstanden sind in 15-monatiger Bauzeit und für fünf Millionen Euro insgesamt 39 „barrierearme“ Zwei-, Drei- und Vier-Raum-Wohnungen in drei freistehenden Gebäuden, die auch über Aufzüge verfügen. Etwa 100 Menschen werden hier leben.
Die Anlage ist die Realisierung des Siegerentwurfs im Landeswettbewerb „Mut zur Lücke“ 2013 und stammt vom Architektenbüro „Leuschner Gänsicke Beinhoff“ (Hamburg-Wittenberg). Landesentwicklungsminister Thomas Webel (CDU) sagte gestern als Gast der Eröffnungsfeier, der Wohnpark ermögliche es Menschen, „so lange wie möglich selbstbestimmt zu leben“ - in der Stadt, in Städten sei dies dank der Infrastruktur einfacher als auf dem Land.
Als eine „Aufwertung“ des Wohnquartiers bezeichnete Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) den Neubau und erinnerte wie Gießmann an die vorangegangenen Etappen dort: die Sanierung des Bestandes, das neu gebaute Ärztehaus und auch den Nachbarschaftstreff. Defizite räumte Zugehör - neben der Situation der Feuerwehr („stark verbesserungswürdig“) - dort noch im Straßenbau ein.
„Die Wiwog war sehr interessiert an uns“, erzählt Sarah Liesigk noch und Wiwog-Geschäftsführer Gießmann bestätigt das. Der „Wohnpark West“ soll schließlich, wenn man das Ganze stadtentwicklungspolitisch betrachtet, ein generationenübergreifendes Projekt sein. Drei Familien mit Kindern habe man gewinnen können für eine der 39 Wohnungen im Karree Dessauer, Holbein- und Erich-Mühsam-Straße. Gießmann zufolge stammt mehr als die Hälfte der Mieter von außerhalb des Stadtgebietes, nicht wenige auch von außerhalb des Landkreises. Pendler, etwa aus Magdeburg, die nun hier leben wollen oder Menschen, die in ihre Heimatstadt zurückgekehrt sind, hätten die Gelegenheit genutzt. Auch das ältere Paar, sie 63, er 75 Jahre alt, das gestern Nachmittag zur Eröffnung samt Mieterfest ins heizpilzgewärmte Zelt gekommen ist, hat das getan. „Wir wollten einen Neubau“, sagt die Frau, die bisher mit ihrem Mann in Dessau lebte. Außerdem gefalle ihnen „der Baustil“ sehr, sagt der Mann. Seit 28. August leben sie nun hier. Verkehrslärm? Störe sie nicht. Wenn sie Ruhe haben wollen, machten sie eben das Fenster zum Hof auf.
Eine gibt’s noch
Die letzten Einzüge sollen laut Gießmann Ende des Monats erfolgen. Und wer weiß, ob bis dahin nicht doch auch die allerletzte Wohnung vermietet ist. Die 99 Quadratmeter im Erdgeschoss zur Dessauer Straße dienten bisher als Musterwohnung. Es gibt zwei große Bäder - und wenn man wollte, könnte man von einem direkt ins Grüne treten oder sich dort sogar noch eine zweite Terrasse anlegen zur bereits bestehenden. (mz)