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Antijüdische Schmähplastik in Sachsen-Anhalt Wittenberger „Judensau“ geht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Nach der Ablehnung seiner Verfassungsbeschwerde zieht der Kläger im Streit um die Entfernung der „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Von Jonas Lohrmann Aktualisiert: 22.11.2024, 17:47
Die sogenannte „Judensau“ an der Unesco-Weltkulturerbestätte in Wittenberg geht erneut vor Gericht.
Die sogenannte „Judensau“ an der Unesco-Weltkulturerbestätte in Wittenberg geht erneut vor Gericht. (Foto: Thomas Klitzsch)

Wittenberg/MZ - Der Streit um die sogenannte „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche, einer Unesco-Weltkulturerbestätte, geht in eine neue Runde. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im August 2023 die Verfassungsbeschwerde des Klägers Michael Düllmann gegen die antijüdische Schmähplastik abgewiesen hatte, hat dieser wie angekündigt eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg eingereicht. Dies bestätigte das Gericht am Freitag auf MZ-Anfrage.

Juristischer Kampf um die Entfernung der Judensau in Wittenberg

Düllmann, der im Jahr 1978 zum Judentum konvertierte, kämpft seit 2018 für die Entfernung des Sandsteinreliefs, das um 1300 an der Südfassade der Stadtkirche St. Marien in Lutherstadt Wittenberg angebracht wurde. Er sieht sich durch die Darstellung in seiner Menschenwürde und Religionsfreiheit verletzt. Die Skulptur zeigt eine Sau, an deren Zitzen Menschen trinken, die als Juden dargestellt werden. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After – eine Darstellung, die Düllmann als zutiefst beleidigend und als Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte empfindet.

Bereits im Jahr 2019 hatte das Landgericht Dessau-Roßlau entschieden, dass die Plastik nicht entfernt werden müsse. Auch die nachfolgenden Instanzen, darunter das Oberlandesgericht Naumburg, der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht als höchstes nationales Gericht kamen zu dem Ergebnis.

Vor Ort erfolgt durch eine angebrachte Informationstafel eine historische Einordnung des Reliefs. Auf dieser Tafel wird die antijüdische Bedeutung der „Judensau“ erklärt und kritisch reflektiert.

Weitere ähnliche Darstellungen in Deutschland

Die Schmähplastik gehört zur Architektur der Stadtkirche, die als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt ist. Ursprünglich diente sie im Mittelalter der Diffamierung von Juden, unter anderem um deren Ansiedlung zu verhindern. Ähnliche Darstellungen finden sich auch an anderen historischen Sakralbauten, wie dem Kölner und Regensburger Dom sowie dem Dom zu Brandenburg.

Lesen Sie auch: Skulptur sorgt für Aufsehen: Kompromiss im Streit um "Judensau" in Calbe

Mit der Beschwerde beim EGMR hofft Düllmann, die Entfernung der Plastik doch noch durchsetzen zu können. Der Gerichtshof wird sich jetzt damit befassen. Weitere Angaben oder wann eine Entscheidung voraussichtlich fällt, konnten noch nicht von der Pressestelle mitgeteilt werden.