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Wittenberg Wittenberg: Tschu-Tschu-Bahn auf Reisen

Von MARCEL DUCLAUD 26.10.2011, 16:27

WITTENBERG/MZ. - Jan Harnisch ist immer wieder für eine Überraschung gut. Nach seiner kleinen Reederei mit inzwischen drei Schiffen, die von Wittenberg und Dessau aus auf der Elbe verkehren, beschert er der Lutherstadt jetzt eine so genannte Tschu-Tschu-Bahn. Reisende werden sie kennen, die seltsamen Gefährte - halb Bahn, halb Auto - zuckeln durch viele Touristenorte. Ein Service, damit die Gäste nicht so viel laufen müssen. Schnell darf man mit den Geräten nicht sein, das wissen Harnisch und sein Partner Mike Pickran inzwischen sehr genau. Sie haben die Bahn für Wittenberg in Neubrandenburg günstig erworben.

Und weil ihnen der Transport zu teuer war, nahmen sie den weiten Weg auf sich - zuckelten knapp 300 Kilometer mit Tempo 25. Dienstag früh ging die Reise los, Mittwochnachmittag endete sie vor der Wittenberg-Information. Autofahrer und Passanten staunten nicht schlecht, als sie das rund 20 Meter lange, orange-weiße Gefährt mit drei Hängern erblickten, Hupen und Winken auf der Strecke. In Neubrandenburg hingegen flossen Tränen. Der dortige Inhaber gibt nach 17 Jahren das Geschäft auf, aus Altersgründen.

Eine gute Gelegenheit für Harnisch und Pickran, die wissen, dass der Neupreis für "Lok" und Wagen bei etwa 200 000 Euro beginnt. Sie machen eine Idee wahr, die schon länger existiert. Nämlich eine Verbindung schaffen zwischen Altstadt und Anleger. Die 20 Minuten zu Fuß sind für viele Touristen zu viel. Harnisch hat die Distanz schon immer geärgert, jetzt ergreift er die Initiative, nicht zuletzt deshalb, um die Passagierzahlen seiner Schiffe zu erhöhen. Das ist freilich nur ein Aspekt des neuen Geschäfts, für das die beiden Unternehmer die Wittenberger Altstadtbahn GbR gegründet haben. Die Tschu-Tschu-Bahn soll in erster Linie für Stadtrundfahrten zur Verfügung stehen, was neben anderen die Wittenberg-Information freut.

Allerdings dauert es noch eine geraume Weile bis zur ersten Wittenberg-Tour. Die 17 Jahre sind der Neubrandenburger Bahn deutlich anzusehen. Sie wird in den kommenden Monaten generalüberholt. Und neu gestrichen: "Nicht quietschbund", verspricht Harnisch: "Sondern ein Anstrich, der zu Wittenberg passt." Grün schwebt ihm vor. Und Ostern als Start-Termin. Wenn bis dahin sämtliche Genehmigungen vorliegen. Derer sind es nicht wenige. Kreis, Stadt und Landesverwaltungsamt müssen ihr Einverständnis erklären. Mündlich sei das aber bereits geschehen, sagt Harnisch. Die Routenplanung gilt es abzustimmen: "Überall, wo die Bahn fährt, muss das beantragt werden." Eingestellt wird ein Busfahrer, der zugleich stadtgeschichtlich bewandert sein sollte - und wenn nötig auf Englisch informieren kann. Dass Harnisch nicht von Null anfangen muss, verdankt er Mike Pickran aus Malchow. Der betreibt in Mecklenburg-Vorpommern nicht allein eine Fahrgast-Schifffahrt, sondern nennt auch zwei Tschu-Tschu-Bahnen sein Eigen, eine fährt in Waren (Müritz), die andere in Plau am See. Seine Erfahrung: "Das läuft von Jahr zu Jahr besser." Pickran verfügt überdies über einen Busunternehmer-Schein, Voraussetzung für das Tschu-Tschu-Geschäft. Das übrigens, wenn es denn in Wittenberg keine Schwierigkeiten gibt, weiter ausgebaut werden könnte: "Mal schauen, was man in Dessau machen kann."