Wittenberg Wittenberg: Erfolg seit zwanzig Jahren
WITTENBERG/MZ. - Sieht man sich die reinen Zahlen der Produktionsstätten des Augustinuswerkes an, könnte man von einem gesunden, wachsenden Unternehmen sprechen. Beim Blick hinter die Kulissen der Werkstatt für behinderte Menschen in der Gottlieb-Daimler-Straße erkennt man aber schnell, dass hier noch ganz andere Erfolge gefeiert werden können.
Anfang der neunziger Jahre wurde der ökumenische Verein vom Landkreis mit der Betreuung und Beschäftigung von Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung beauftragt. "Seitdem haben wir vier Werkstätten aufgebaut", erklärt Günter Kurczyk, der Leiter der Werkstätten. Das Tätigkeitsprofil ist weitläufig: von Verpackung bis Werbegrafik, von Fensterbau bis Buchbinderei reicht das Portfolio. "Und unsere Auftraggeber verlangen natürlich Qualität", erzählt Kurczyk. Sogar nach ISO 9001 sei die Werkstatt zertifiziert - das bedeutet, dass der Produktionsprozess im Zweijahres-Rhythmus einer Prüfung unterzogen wird. Einziger echter Wettbewerbsvorteil des Augustinuswerkes auf dem freien Markt sei die Möglichkeit, die angebotenen Produkte und Leistungen nur mit sieben Prozent Mehrwertsteuer anbieten zu können. Damit generiert das Unternehmen einen Jahresumsatz von bis zu zwei Millionen Euro.
Bereits zum 14. Mal öffneten sich die Tore des Betriebsgeländes in der Nähe der Gottlieb-Daimler-Straße für interessierte Besucher, Kunden und die Angehörigen der hier beschäftigten Menschen. Aber bei aller Geschäftigkeit offenbart der Blick ins Augustinuswerk auch noch andere Schwerpunkte. "Im Berufsbildungsbereich ermitteln wir für jeden einzelnen unserer Schützlinge, wo seine Stärken und Schwächen liegen", erklärt Kurczyk. Schließlich muss für jeden Bewerber ein individueller Lern- und Entwicklungsplan aufgestellt werden. "Einer kann eben besser rechnen, ein anderer vielleicht gar nicht schreiben", beschreibt er die Bandbreite der Einschränkungen, mit denen seine Arbeitnehmer leben. Aber auch wer gar nicht in der Lage ist, im Produktionsprozess mitzuhelfen, wird hier betreut. Bastelgruppen, Gesellschaftsspiele - sogar ein Kuschelraum ermöglichen den Behinderten, sich nicht nur behandeln zu lassen, sondern selbstbestimmt zu handeln. Schließlich hat jeder Mensch ein Recht auf die individuelle Entfaltung seiner Persönlichkeit.
Für die Mitarbeiter in der Produktion gibt es - neben dem finanziellen Anreiz - noch weitere Motivation. "Wir haben auch Praktikumsstellen in der freien Wirtschaft", erzählt Günter Kurczyk. Auch wer nur kleine Arbeitsschritte bewältigt, fällt nicht hinten runter. "Wir verstehen uns hier als Sozialgemeinschaft. Und neben dem Leistungszuschlag bekommt jeder Mitarbeiter ein "Grundgehalt" von 100 Euro im Monat.
Betreut werden die Mitarbeiter von einer Vielzahl von Profis und Freiwilligen. Psychologen, Sportwissenschaftler, Ergotherapeuten - aber auch Zivildienstleistende und junge Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) tragen zum Erfolg des "Unternehmens Augustinuswerk" bei. Günter Kurczyk beschäftigt derzeit ein Problem ganz besonders. "Ein bisschen mache ich mir schon Sorgen über die Abschaffung des Zivildienstes", erzählt der Werkstattleiter.
Aber die grundsätzlich nicht so rosige Situation auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt lasse ihn dennoch hoffen. "Vieles können wir wahrscheinlich über bezahlte Praktika oder das Freiwillige Soziale Jahr abdecken", erzählt er. Ein Problem mit dem so genannten "Bundesfreiwilligendienst", der ja nach einer eventuellen Abschaffung der Wehrpflicht eingeführt werden soll, bleibt aber bestehen: "Das ist eben freiwillig - und damit nicht so planbar, wie der Pflichtdienst, den es heute gibt."