Wittenberg Wittenberg: Agrar-Fachkräfte im Rampenlicht

Wittenberg - Name um Name wird aufgerufen, und 48 junge Frauen und Männer treten gruppenweise ins Rampenlicht auf die Bühne des Wittenberger Stadthauses. Bauernverband, Bauernbund und der Landwirtschaftliche Arbeitgeberverband (AGV) feiern sie dort am Freitagnachmittag für ihren erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildungen als Land- und Tierwirte sowie als Fachkräfte für Agrarservice. In 38 Betrieben Sachsen-Anhalts haben sie ihr fachliches Rüstzeug erhalten und dazu die Theorie im Wittenberger Berufsschulzentrum.
„Ich hatte es schon immer mit Tieren“
Im Publikum flimmern die Displays der Kameras. Auch Lothar Dietrich reckt den Fotoapparat in die Höhe. Auf seinen Enkel ist der Köthener stolz - zu Recht: Zweimal steht Philipp Huisgen vorn, nach Erhalt des Facharbeiterzeugnisses wird er noch als einer der Landesbesten bei den Tierwirten/Fachrichtung Rind geehrt. Mit 1,56 hat er seine Ausbildung bei der Quellendorfer Landwirte GbR abgeschlossen. Die Mutter Standesbeamtin, der Vater Autobauer und auch der Großvater ist kein Landwirt: „Ich hatte es schon immer mit Tieren“, erklärt Philipp, warum es dennoch der Beruf sein sollte.
Das ist bei Victoria Nerenz anders. Zu Hause hat die junge Frau Kühe, zwei sind derzeit hochtragend. Tierwirtin/Rind gelernt hat sie in der Agrargenossenschaft Leetza. „Das Schönste ist die Kälberaufzucht“, sagt sie. Das Schwerste, fügt ihre Mutter hinzu, „wenn es ein Kälbchen nicht geschafft hat“.
Mitverantwortung für Europa
Aber auch das gehört zum Beruf, den mehrere Redner in dieser Feierstunde als den Schönsten überhaupt bezeichnen. Hartmut Steiner sagt das, der Vorsitzende des Wittenberger Bauernverbandes, Ekkehard Wallbaum vom Magdeburger Landwirtschaftsministerium und der Vorsitzende des Prüfungsausschusses Ehrenfried Kühn. Sie alle verweisen auf die große Verantwortung, den fortan auch der Berufsnachwuchs mit trägt: für das Gleichgewicht in der Natur, das Wohl von Tieren, für immer komplexere Technik, für die Ernährung der Menschheit - für den Frieden. Denn, so Wallbaum: Um 2050 neun Milliarden Menschen ernähren zu wollen, müsse die landwirtschaftliche Produktion um 70 Prozent steigen. „Europa hat dabei eine große Mitverantwortung.“ Würde die Produktion von Nahrungsgütern auf einen kleinen Teil der Welt konzentriert, bedeute das Preissteigerungen - soziale Spannungen seien die Folge.
„Bleiben Sie hier in der Region“, appelliert Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) an die jungen Leute. Der Landkreis macht zusammen mit dem Wittenberger Bauernverband die Sicherung des Fachkräftenachwuchses in der Landwirtschaft zur Chefsache. Mit dem gleichnamigen Landesprojekt, das noch bis Jahresende im Kreis läuft, könne effektiver für grüne Berufe geworben und zugleich die Qualität der Berufsausbildung durch betriebsübergreifende Lehrunterweisungen verbessert werden. Wallbaum verwies sogleich auf die umfangreichen Qualifizierungsmöglichkeiten im Land. Victoria Nerenz hat das schon für sich ins Auge gefasst. „Ich möchte mal ins Veterinärwesen“, erzählt sie. Philipp Huisgen ist diesbezüglich noch unentschlossen. „Da rede ich ihm ganz bestimmt zu“, versichert sein Großvater. (mz)