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Wirtschaft  Wirtschaft : Wittenberger Unternehmen liefert weltgrößten dezentralen Energiespeicher

Von Karina Blüthgen 20.06.2016, 14:40
Marian Eube beschriftet die Sensorkabel auf den Batterien. So sind die einzelnen Zellen vernetzt.
Marian Eube beschriftet die Sensorkabel auf den Batterien. So sind die einzelnen Zellen vernetzt. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Derzeit geht es nicht ohne Überstunden im Wittenberger Unternehmen Tesvolt. Das im Bau befindliche Batteriesystem, ausgelegt für 2,68 Megawattstunden, wird nach Fertigstellung der weltgrößte dezentrale netzunabhängige Energiespeicher dieser Art sein. Schon diese Woche geht die erste Teillieferung auf die Reise. Das Ziel ist Afrika, genauer Ostruanda, wo die Energiespeicher in Kombination mit einer Fotovoltaik-Anlage das Leben von 2000 Bauern verbessern sollen, die auf einer Fläche von etwa 1200 Hektar leben und Landwirtschaft betreiben.

Ein Solarkraftwerk mit einer Leistung von 3,3 Megawatt, das ebenfalls im Bau ist, wird den Strom für 44 Wasserpumpen liefern. „In Ruanda fällt der Strom drei- bis viermal am Tag für etwa fünf bis zu 45 Minuten aus. Deshalb braucht es einen Speicher, der den Strom der Solaranlage schnell aufnehmen und wieder abgeben kann“, sagt Simon Schandert, technischer Geschäftsführer von Tesvolt. Das Batteriesystem ermöglicht es zudem, dass die komplette Anlage bei Stromausfall als Insellösung funktionieren kann.

Finanziert wird das Projekt über eine namhafte internationale Stiftung, über deren Namen und die Summe sich Simon Schandert und sein Kollege Daniel Hannemann, kaufmännischer Geschäftsführer, in Schweigen hüllen. Für das noch junge Unternehmen, das nach drei Jahren Vorlauf in der Entwicklung im Jahr 2014 gegründet wurde und seit August/September 2015 produziert, ist der Auftrag jedoch ein richtig dicker Brocken, der derzeit alle Kapazitäten bindet. Insgesamt gibt es 35 Mitarbeiter.

Im eigenen Haus angepasste Kabel, dazu Sensoren für Strom und Temperatur sowie die Steuerung werden fast im Akkord in die insgesamt 134 Schränke mit Lithium-Batterien verbaut, insgesamt sechs Wochen wird gerackert, was das Zeug hält. Der kleine Engpass in der Fertigung ist die Funktionsprüfung für sämtliche Batterieschränke, die pro Schrank etwa drei Stunden dauert.

Die Lithiumbatterien werden einmal komplett geladen und wieder entladen. „So können wir sehen, welche Batterien sich schneller aufladen. Das in jedem Schrank befindliche bidirektionale Batterie-Managementsystem sorgt dann dafür, dass gezielt mehr Strom zu den anderen Zellen geleitet wird“, erläutert Daniel Hannemann das mehrfach patentierte Herzstück. Einzelne Zellen, die zu warm werden, werden nach dem Test ausgetauscht. Das Batteriemanagement macht es möglich, dass nicht wie früher ein kompletter Akkublock gewechselt werden muss.

„Wir haben 4288 Zellen im Projekt, davon haben wir bisher die Hälfte getestet. Bisher haben wir nur zehn wechseln müssen, entweder weil sie zu wenig Kapazität besaßen oder der Temperaturanstieg zu hoch war“, erläutert Simon Schandert. „Die Anlage steht in Afrika zwar in einem klimatisierten Container. Aber die Kühlung könnte ausfallen“, so Hannemann.

Was sich auf den Platinen an Elektronik verbirgt, deutet er nur an. Doch er verrät, dass in der Technischen Universität Berlin fünf der Mitarbeiter in einer eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung an eben solchen Komponenten tüfteln, die es im Handel nicht gibt. Die Tests sind den Geschäftsführern wichtig, nur so können sie für Qualität „Made in Germany“ garantieren, sagen sie. Zwar wird vor Ort Personal für den laufenden Betrieb geschult, auch kann mit einem Tablet-PC per Direktverbindung eine Fehlerdiagnose gemacht werden. Aber was immer machbar ist, soll schon in Europa perfekt laufen.

In knapp zwei Wochen wird der Rest der Speicheranlage unterwegs sein. Zur Inbetriebnahme werden beide Geschäftsführer nach Afrika fliegen. Was danach kommt? Simon Schandert kann sich vorstellen, dass Tesvolt nach diesem Speicher noch weitere für Hilfsprojekte in Afrika bauen wird. (mz)