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Wirtschaft Landkreis Wittenberg Wirtschaft Landkreis Wittenberg: Die Brezel-Story

Von Michael Hübner 20.02.2016, 16:05
Reiner Haseloff formt seine erste Brezel.
Reiner Haseloff formt seine erste Brezel. Ditsch/Unternehmen

Oranienbaum - Die Brezelbäckerei Ditsch hat sich am Donnerstagabend besonders herausgeputzt: Bereits im Foyer werden die Produkte präsentiert: Laugengebäck, Pizzen, Croissants und Snacks. Die Köstlichkeiten sind zum Probieren für die prominenten Gäste vorbereitet. Und in der Pressemappe steht dazu: „Selbst nach mehr als 90 Jahren ist der Wille, sich immer wieder neu zu übertreffen, ungebrochen.“ In Oranienbaum - die Produktionsstätte ist deutlich größer als die am Firmensitz in Mainz - beginnt die Erfolgsgeschichte 1999 mit zehn Mitarbeitern. Doch Volker Kauder interessiert sich zunächst nicht für die Historie oder für die Häppchen.

Als Feinbäckerei in der Mainzer Altstadt von Wilhelm Ditsch mit seiner Frau Christine gegründet, gibt es die Brezelbäckerei Ditsch seit 1919. Derzeit gehören exakt 210 von selbstständigen Partnern betreute Filialen zum Netz, das Peter Ditsch, Enkel des Firmengründers, aufgebaut hat. Heute ist das Unternehmen im Besitz der schweizerischen Valora-Gruppe, die in drei Geschäftsfeldern aktiv ist. So sehen sich die Schweizer als Marktführer im klein- und kleinstflächigen Convenience-Handel. Da geht es um Produkte, die die Zubereitung des Essens verkürzen bzw. erleichtern. Hier sehen die Verantwortlichen noch großes Wachstumspotential. Deshalb passt Ditsch gut ins Firmenprofil. Valora ist in der Schweiz auch Marktführer im Vertrieb von Presseerzeugnissen an Eigenstellen und Handelspartner sowie bei Großhandelsaktivitäten.  

„Erst die Arbeit, dann das Essen. So sind wir Schwaben halt“, sagt der CDU-Fraktionschef im Bundestag. Es geht um die Zukunft des Standortes im Dessora-Industriepark. Marc Kranz hat gute Nachrichten parat. Der Kaufmännische Leiter kündigt weitere Investitionen an. Die Rede ist von sechs bis acht Millionen Euro. Dafür soll eine Produktionslinie - es gibt acht - ausgetauscht werden. Die neue habe die dreifache Kapazität. Und es gibt noch weitere, größere Pläne. Doch das ist - zumindest in Anwesenheit der Presse - nicht spruchreif. Aber wenn etwas passiert, dann eben in Kapen. Eine andere Option sei vom Tisch.

„Wir haben zwei oder drei Tage darüber nachgedacht“, räumt Kranz ein. Der Brezelbäcker will seinen Wachstumskurs fortführen. Voraussetzung ist, dass Kunden weiter die Produkte - ob tiefgekühlt oder als Teigling - erwerben. Drei Prozent Absatzplus jährlich werden für Deutschland prognostiziert. Im Übrigen sei „Ditsch“ fürs Bäckerei-Sterben nicht verantwortlich. „Unsere Produkte sind Ergänzungen“, heißt es.

Darüber hinaus sei der Aufwand zum Herstellen von Laugengebäck sehr hoch für einen kleinen Handwerksbetrieb. Ditsch blickt über den eigenen Tellerrand hinaus. Der „internationale Markt“, so Kranz, sei interessant. Und das bedeutet für Oranienbaum neue Jobs. Derzeit gibt es 355 Mitarbeiter - schon 2017 soll die 400er-Marke geknackt werden. Dabei wird auf die Ausbildung junger Leute gesetzt - mit guten Karrierechancen. Der Prokurist nennt Matthias Hartung, der vor 16 Jahren in Kapen angefangen hat und jetzt Werkleiter ist, als Beispiel. „Lukrative Jobs für jungen Menschen“, sagt der 40-jährige Chef, „haben auch dafür gesorgt, dass durch den Zuzug junger Leute der Altersdurchschnitt in meinem Heimatort Bergwitz gesenkt werden konnte.“

Attraktive Angebote sprechen sich schnell herum - sogar bis Andalusien. „Ich habe im Internet das Stellenangebot gefunden“, sagt Antonio Palacios. Der 28-Jährige ist einer von sechs Spaniern. Nach einer Zwischenstation in München, wo er Deutsch lernte, lebt er jetzt in Dessau. „Da haben Sie sich verbessert“, sagt Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Beim Betriebsrundgang wird klar, dass hier der klassischen Bäcker nicht gefragt ist. Der Automat knetet und mischt den Teig. Gebraucht werden Leute, die diese hochmodernen Anlagen bedienen können: Mechatroniker und Lebensmitteltechniker.

Und dann passiert es doch noch: Handarbeit! Frauen bringen die Brezeln in Form. Sie werden geschlungen. Haseloff absolviert bei Jessica Schildhauer einen Blitzkursus. Der Politiker hat Talent. „Er hat es richtig gut gemacht“, so die die Fachfrau. Der Gast erlebt bei der Verabschiedung eine Überraschung. Seine Brezel - inzwischen gebacken - darf er mit nach Hause nehmen. „Das glaubt mir meine Frau nie“, befürchtet der Politiker, der per Nachrichtendienst Twitter sofort informiert: „Besuch in der Brezel-Bäckerei: tolles Team, gute Produkte und die erste eigene Brezel geschlungen.“ (mz)

Reiner Haseloff (Mi.) formt mit Hilfe von Matthias Hartung und Jessica Schildhauer seine erste Brezel (kl. Bild). Volker Kauder (li.) beobachtet.
Reiner Haseloff (Mi.) formt mit Hilfe von Matthias Hartung und Jessica Schildhauer seine erste Brezel (kl. Bild). Volker Kauder (li.) beobachtet.
Ditsch/Unternehmen