"Wir wollen keine Ausländer" "Wir wollen keine Ausländer": Wittenberger Kleingarten-Verein rudert zurück

Wittenberg - Blühende Rosen, gepflegter Rasen, abgezirkelte Beete, Ruhe, Ordnung, Gediegenheit. So präsentiert sich die Gartenanlage „Am Trajuhnschen Bach“ in Wittenberg. Dass sie es ist, die jetzt für einen Sturm der Entrüstung sorgt - in sozialen Netzwerken ebenso wie in der analogen Welt - erscheint auf den ersten Blick unwirklich.
„Wir wollen keine Ausländer“
Ein Satz hat die ansonsten beschauliche Ruhe nun beträchtlich durcheinander gewirbelt: „Wir wollen keine Ausländer.“ Er stammt von Horst Kubasic, dem stellvertretenden Vereinschef. Am Tag nach der Veröffentlichung in der Mitteldeutschen Zeitung schlagen nun die Wellen hoch: „Eine Unverschämtheit“, schäumt Jörg Schindler. Er ist Anwalt und gehört der Linkspartei an. „Ich kann nur raten, das rechtlich klären zu lassen. Er hat Anspruch auf eine Entschädigung.“ Mit er ist der libanesisch-stämmige Unternehmer Ali Ismais gemeint, der „Am Trajuhnschen Bach“ einen Kleingarten übernehmen wollte, was ihm aber verweigert wurde. Schindler verweist auf das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und erwähnt vergleichbare Fälle, in denen Mietern mit Verweis auf ihre Herkunft eine Wohnung verweigert wurde. Ismais allerdings winkt ab: „Ich will keine Anzeige, zu viel Rennerei und bringen wird das am Ende auch nichts.“
Schindler unterdessen fordert Konsequenzen im politischen Raum: „So eine Aussage darf nicht stehen bleiben. Sonst entsteht der Eindruck, das wird toleriert.“ Stadtrat, Oberbürgermeister und Verein sollten sich entschuldigen und dem Naturfreund, der zwar im Brandenburgischen lebt, in Wittenberg aber ein Geschäft betreibt, einen Garten anbieten.
Das ist längst geschehen. Am Morgen meldet sich Matthias Schwetasch in der Redaktion und offeriert seinen Garten in Reinsdorf: „Schöne Anlage, nettes Publikum.“ Aus Altersgründen müsse er den sowieso abgeben. Was er noch sagt: „Das ist unbegreiflich. Die sollten doch froh sein, wenn sich Interessenten für die Gärten finden.“ Die Angst vor Fremden kann er nicht nachvollziehen: „Ich habe das selbst erlebt, damals, 1945, die Flüchtlingstrecks.“
Um Schadensbegrenzung bemüht
Per Mail meldet sich Sylvia Rümenap zu Wort: „Mit Fassungslosigkeit“, schreibt sie, „habe ich den Artikel gelesen, dass Bürger mit Migrationshintergrund hier in Wittenberg durch Gartensparten ausgegrenzt werden. Was für Ängste haben denn die Gartenfreunde?“
Die sind zunächst entsetzt, dass ihre Gartensparte es so negativ in die Presse geschafft hat. „Wenn ich zu Hause eine Feier mache, suche ich mir doch auch aus, wer kommt“, versucht sich ein älterer Herr, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, an einer Begründung. Seine Frau sagt: „Ich habe mich so aufgeregt. Die im Vorstand machen das doch ehrenamtlich.“
Bärbel Kaiser steht in einem Schmuckstück von Garten und bekennt: „Ich bin zwiegespalten. Es gibt bestimmt Ausländer, die ihren Garten pflegen und sich anpassen. Aber auch andere, die ihn verlottern lassen. Die Nachbarn müssen dann darunter leiden.“ Sie ist dafür, Erkundigungen einzuziehen, bevor ein Garten vergeben wird. Was sie noch hinzufügt: „Auch Deutsche lassen Gärten verlottern.“
Vorstandsvorsitzender von Aufregung überrascht
Um Schadensbegrenzung bemüht sich derweil der Vorsitzende der Anlage, Frank Pannicke, der offenkundig überrascht ist von der Aufregung: „Wir haben hier nichts gegen Ausländer, wir sind doch froh über jeden vernünftigen Gartenfreund.“ Ein Japaner und ein Algerier gehörten zu den Pächtern „Am Trajuhnschen Bach“, Russland-Deutsche sowieso. Sein Stellvertreter habe sich wohl „etwas unglücklich ausgedrückt“. Das Problem bei Ali Ismais bestünde darin, dass er aus Brandenburg kommt und wir uns gefragt haben: „Warum will er einen Garten in Wittenberg, wenn er dann am Wochenende doch gar nicht da ist?“
„Einen Ort zum Entspannen“, entgegnet Ismais, sein Geschäft, ein An- und Verkauf für Autos, befinde sich ganz in der Nähe.
Die Wogen glätten will auch Georg Else aus dem Vorstand des Verbandes der Gartenfreunde. „Wenn die Leute in Deutschland leben, gibt es doch keinen Grund zu sagen: Ihr gehört nicht zu uns.“ Nach seiner Erfahrung aus anderen Anlagen verhielten sich Ausländer „nett, unauffällig und werden nicht diskriminiert“. Zahlen, wie viele Migranten im Kreis Kleingärten gepachtet haben, existierten zwar nicht: „Es gibt sie aber“, so Else.
Zu Wort gemeldet hat sich auch die Stadt Wittenberg, die sich gern weltoffen gibt. Die fragwürdige ausländerfeindliche Haltung Einzelner stehe nicht für die Werte und die herrschende Meinung, so Oberbürgermeister Torsten Zugehör. Die Kommune als Verpächter will überdies „gemeinsam mit unserem Vertragspartner den nicht tolerierbaren Vorfall prüfen und eine respektvolle Lösung für die Betroffenen finden“, erklärte er außerdem. (mz)