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Werkssiedlung Piesteritz Werkssiedlung Piesteritz: SKW dreht Mietern das Wasser ab

Von Irina Steinmann 29.03.2017, 10:03
Da kommt nichts: Sandra Pekel am Wasserhahn in ihrem Garten
Da kommt nichts: Sandra Pekel am Wasserhahn in ihrem Garten Klitzsch

Piesteritz - Stell’ dir vor, die Pflanzsaison beginnt - und aus der Leitung kommt kein Tropfen. Hunderten Mietern in Piesteritz dürfte im Frühjahr 2017 exakt dies passieren.

Grund ist die Entscheidung von SKW, den Bewohnern der historischen Werkssiedlung und weiterer Mietshäuser südlich der Dessauer Straße kein aufbereitetes Elbwasser mehr zu liefern. Damit waren über Jahrzehnte die Gärten an den Häusern bewässert worden.

SKW meldet nun quasi Eigenbedarf an. „Wir benötigen jeden Liter des kostbaren Nasses für die Weiterführung und den Ausbau der Produktionsprozesse im Agro-Chemie-Park“, heißt es unter Verweis insbesondere auf „wasserknappe Spitzenzeiten“ in einem Antwortschreiben des Chemieunternehmens an die betroffenen Bewohner, die mit einer Unterschriftenaktion gegen die Entscheidung von SKW protestiert hatten.

Mit der Geschichte des Piesteritzer Bewässerungssystems bestens vertraut ist Gerhard Leske, langjähriger Geschäftsführer der Piesteritzer Siedlungs-(später: Service-)Gesellschaft und inzwischen im Ruhestand. Das in den 1930er Jahren als Ringleitung zu Kühlzwecken im Werk von diesem angelegte System sollte laut Leske nach der Wende stillgelegt werden. Er habe seinerzeit - die heutige SKW Piesteritz wurde 1993 gegründet - selbst mit dem Vorstand über eine Fortsetzung verhandelt mit dem Ergebnis, dass SKW - vertraglich geregelt - die Mieter jeweils von April bis Mitte Oktober mit dem aufbereiteten Elbwasser versorgt. Individuelle Zähler habe es nicht gegeben, es wurde ein Festbetrag gezahlt und von der Siedlungsgesellschaft auf ihre Mieter umgelegt.

„Das war ein unwahrscheinliches Entgegenkommen von SKW“, sagt Leske über die Wasserversorgung. Mindestens 500 Haushalte, schätzt er, profitierten davon. Und natürlich das allgemeine Bild der Siedlung: Selbst „in den ganz trockenen Sommermonaten sah es schön grün aus“, erinnert sich der Ex-Geschäftsführer. Leske bestätigt, dass das Leitungssystem nicht SKW, sondern dem jeweiligen Vermieter gehört. „Große Teile“ davon seien bei der Sanierung der Werkssiedlung mit erneuert worden, wies er Mutmaßungen nach einer möglichen Reparaturbedürftigkeit der Anlagen als Hintergrund des Streits zurück.

Empfängerin des Schreibens ist Sandra Pekel, die Vorsitzende des neuen Mieterbeirats, die seit drei Jahren in der Werkssiedlung wohnt. Der eigenen Angaben zufolge selbst nicht betroffene Piesteritzer Stadtrat Heiner List (AdB) hatte das Thema Bewässerung der Piesteritzer Hausgärten kürzlich in den Bauausschuss getragen und damit öffentlich gemacht.

SKW selbst räumt in seinem Schreiben an Sandra Pekel ein, dass der geltend gemachte Eigenbedarf „nur die halbe Wahrheit“ sei. Vorausgegangen waren nämlich offenbar Unstimmigkeiten mit dem neuen Vermieter. 2015 hatte die Deutsche Wohnen die Werkssiedlung und zuvor bereits weitere Objekte in der Nachbarschaft südlich der Dessauer Straße übernommen.

Bereits „vor über einem Jahr“ habe man dem Vermieter die Gründe für die beabsichtigte Abstellung des Brauchwassers mitgeteilt, beharrt SKW auf frühzeitige Information und schiebt den Schwarzen Peter in seinem auch sonst recht emotional gehaltenen Schreiben dem Wohnungsunternehmen zu.

„Offensichtlich ist diesem neuen Besitzer beim Kauf der Siedlung überhaupt nicht klar gewesen, was er da so alles erwirbt“, heißt es darin wörtlich. Die Leitungen jedenfalls, und das ist offenbar unstrittig, gehören nicht SKW.

Über was genau SKW mit der Deutschen Wohnen seinerzeit reden wollte, aber dort „auf so gut wie keine Resonanz“ stieß, blieb auch auf Nachfrage offen und öffnet damit Spekulationen Tür und Tor. (Unter der Hand wird behauptet, dass SKW die Siedlung kaufen wollte, die Deutsche Wohnen dies aber ablehnte.)

Laut SKW-Schreiben ging es um die „Zukunft der Siedlung“. Ein weites Feld und, wie man jetzt weiß, auf jeden Fall ein dürres für die Hobby-Gärtner.

Wie überall

Denen blüht nun voraussichtlich das, was überall andernorts freilich Usus ist: der Bezug von so genanntem Gartenwasser durch die Stadtwerke, also Trinkwasser, das von dort zu diesem Zweck bezogen wird, und deshalb nicht durch den Abwasserzähler rauscht. Dazu bedarf es jeweils freilich eines gesonderten Zählers.

Keine vertrockneten Gärten

Während man sich in der Mieterschaft gespannt zeigt, ob das technisch noch hinhaut mit der Umrüstung auf Normalzustand vorm vorzeitigen Verblühen der Frühblüher, bestätigte die Deutsche Wohnen mit Sitz in Berlin-Schmargendorf der MZ am vergangenen Freitag, dass es in Piesteritz in der Tat eine neue Form der Bewässerung geben müsse und werde.

„Wir müssen das Wasser jetzt abrechnen“, erklärte Sprecherin Manuela Damianakis. Dazu müssten Zähler installiert werden, betroffen seien etwa 400 Gärten. Sie „gehe davon aus, dass das relativ kurzfristig klappt“, so Damianakis, man wolle „keine vertrockneten Gärten ausgerechnet im Lutherjahr“.

Den Vorwurf von SKW, die Deutsche Wohnen hätte sich übers Jahr nicht um eine Klärung der Angelegenheit bemüht, wies sie entschieden zurück, das Gegenteil sei der Fall.

Die Piesteritzer Mieter scheinen also zwischen die Fronten geraten zu sein und müssen das Ganze jetzt ausbaden. Zwar halten sich die Stadtwerke mit zeitlichen Prognosen zurück - die Voraussetzungen für die Installation von Gartenwasser-Zählern zu schaffen, sei Sache privater Installateursfirmen und also abhängig von deren Kapazitäten, erklärte auf Anfrage der technische Leiter der Stadtwerke, Peter Lubitzsch.

Allein für die Bestellung von Zählern rechnen die Stadtwerke selbst allerdings mit einer Lieferfrist von mindestens drei Wochen, so Karin Wenzel, dort Abteilungsleiterin für Gas- und Wasserverbrauch. Es dürfte also eng werden mit einem nahtlosen Übergang bei der Wasserversorgung.

Noch Wünsche?

„Es wäre das Schönste, wenn das Elbwasser wieder funktionieren würde“, sagt Pekel. Danach sieht es aber nicht aus. (mz)