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Wenige Striche für ausdrucksstarke Gesichter

19.07.2007, 16:05

Bad Schmiedeberg/MZ/teo. - In vielen DDR-Kinderzimmern hat er gestanden und in den Kindergärten gehörte er zur Standardausstattung: jener 1963 im Kinderbuchverlag der DDR erschienene dicke Band "Die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm" mit dem Rotkäppchen auf dem Einband. Die markante Kopfbedeckung sieht aus wie eine lustige Zipfelmütze und dominiert das Bild, auf dem der Wolf listig hinter einer Tanne hervor lugt.

Und so fehlt das Buch auch nicht in der Vitrine im Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung im Bad Schmiedeberger Kurmittelhaus, die dem Grafiker und Illustrator Werner Klemke (1917 bis 1994) gewidmet ist. Dazu gibt es über drei Etagen an den Wänden Originalblätter mit Holz- und Steinschnitten des Künstlers.

"Lütt Matten und die weiße Muschel", "Das Wolkenschaf", "Hirsch Heinrich", "Reinecke Fuchs" - viele Ausgaben, bei denen Klemke seine künstlerischen Hände im Spiel hatte, erhielten im Jahr des Erscheinens das Prädikat "Schönstes Buch". Beim Betrachten von Klemkes Kinderbuchillustrationen fällt auf, dass es kaum Details brauchte für die Gesichter der kleinen und großen Helden, dass wenige Striche ausreichten, um Glück, Freude, Wut, Trauer, Enttäuschung Neugier, Überraschung - eben die ganze Palette der Emotionen sichtbar zu machen. Und mögen sie im Märchen noch so böse sein, - die Hexe am Knusperhaus; die Fee, die Dornröschen verwünscht; die Stiefmutter, die Schneewittchen vergiftet, der Wolf oder das Rumpelstilzchen - wirklich Furcht erregend wirken sie in Klemkes Darstellung nicht, eher skurril. Als wollte er verhindern, dass die Kinder schlechte Träume bekommen, wenn sie die von ihm bebilderten Bücher als Bettlektüre zur Hand nehmen.

Zum Markenzeichen geworden sind Klemkes Illustrationen für "Das Magazin". Von 1954 an zierte 35 Jahre lang ein Bild von ihm den Titel der beliebten und vielerorts unter der Hand verkauften Monatszeitschrift. Dass es da frivol zuging, ist gemeinhin bekannt. Klemke mochte wohl das Metier. Nicht zuletzt hat er mit seinen Holzschnitten zum Decamerone von Boccaccio die Italiener so begeistert, dass sie ihn zum Ehrenbürger von Certaldo ernannten. Einen ganz anderen, sehr ernsten Klemke zeigen die Darstellungen zu Homers Ilias, die ebenfalls in Bad Schmiedeberg zu sehen sind. Organisiert wurde die Schau erneut von der Leipziger Birkner-Stiftung. Das Kurmittelhaus ist täglich geöffnet.