Gesichter der Weltausstellung Weltausstellung Wittenberg: Pfarrer Torsten Heinrich als Seelsorger im Riesenrad

Wittenberg - Unter Wasser, in der Luft, auf einem Leuchtturm oder am Strand, im Fußballstadion oder in einer Schwebebahn: Um sich das Ja-Wort zu geben, suchen manche Paare immer wieder ungewöhnliche Orte und Kulissen. Torsten Heinrich hat seine(n) schon gefunden.
Der 55-Jährige lässt sich am Freitag, 14. Juli, in einer Riesenradgondel in Wittenberg trauen. Was zunächst mal extravagant klingt, hat für Heinrich aber eine tiefer gehende Bedeutung und vor allem einen direkten Bezug zu seiner Arbeit: Der Theologe, der viele Jahre Gemeinde- und Jugendpfarrer in Sachsen war, leitet die evangelische Circus- und Schaustellerseelsorge in Deutschland.
Seelsorger auf der Weltausstellung Wittenberg
Das rote Riesenrad, zur Verfügung gestellt und betrieben von den Sperlichs, Schausteller-Dynastie aus Elster, ist der optische Blickfang der Präsenz der evangelischen Seelsorge auf der Weltausstellung Reformation in Wittenberg.
Zwischen Leucorea und ehemaligem Gesundheitsamt kann man einfach so aufsteigen und den Blick schweifen lassen - in die Natur und über die Stadt. Man kann dort oben - zwischen Himmel und Erde - auch tatsächlich ein seelsorgerliches Gespräch suchen, denn die Präsenz wird von Theologen betreut.
Zu den neuen Attraktionen in der Weltausstellung Reformation gehört ein Biergarten. Er befindet sich im Ensemble Riesenrad „Zwischen Himmel und Erde“ der Seelsorge der Evangelischen Kirche und dem Bayerischen Garten. Immer am Donnerstagabend soll es dort künftig Programm und verlängerte Öffnungszeiten geben. Konzerte mit DJ kündigt der Verein r2017 dazu ebenso an wie mit der Big Band und dem Blasorchester Wittenberg. Außerdem sollen Tischgespräche die Abende im Biergarten begleiten. Wie der Verein weiter mitteilt, kann mit einem Ticket der Weltausstellung inzwischen auch kostenfrei mit dem Riesenrad am Bayerischen Garten gefahren werden. Zu den weiteren Konditionen der Weltausstellungstickets gibt es Infos bei www.r2017.org.
Sie kommen im wöchentlichen Wechsel, zum Teil von weit her, und geben in einem Pavillon am Fuße des Riesenrades einen Überblick über die verschiedenen Seelsorgebereiche der Evangelischen Kirche in Deutschland. 25 Bereiche sind es insgesamt, was jene, die nicht so tief in der Materie stehen, womöglich gar nicht auf dem Radar haben.
Sie reichen von Aidsseelsorge über Feuerwehr- und Gefängnisseelsorge, Krankenhaus-, Militär- und Polizeiseelsorge bis zur Telefon- und Urlauberseelsorge.
Auch Seelsorge auf Kreuzfahrtschiffen gehört dazu und mit Martin Hartig und Werner Meyreiss leisten gerade zwei Vertreter dieser Abteilung Dienst auf der Weltausstellung. „Die Menschen wollen in erster Linie Riesenrad fahren und nehmen uns als Beigabe“, lacht Hartig, als er am Mittwoch dieser Woche frohgemut und herzlich Segenssprüche an Passanten verteilt.
Ein Segensblock bestehe aus 50 Kärtchen, an diesem Nachmittag hat er zwei schon komplett aufgebraucht, was auch Rückschlüsse auf die Resonanz zulässt. Besucherzahlen jedoch, findet Hartig, mögen für die Organisatoren der Schau wichtig sein, ihm gehe es um Begegnungen.
Was ihre Arbeit auf den Kreuzfahrtschiffen betrifft, so umfasse diese Andachten ebenso wie Gottesdienste und Gesprächsangebote. Und manchmal schrammt die Seelsorge an der Grenze zur Psycho- und/oder Paartherapie, wenn sich familiäre Konflikte aufschaukeln, was gar nicht ungewöhnlich sei. Viele Urlauber kommen mit hohen Erwartungen und sitzen dann auf engstem Raum zusammen.
Da kann es auch mal knirschen zwischen Eheleuten oder solchen, die es werden woll(t)en und die nach den Erfahrungen der Reise dann doch davon Abstand nehmen. Hartig hat das schon erlebt.
Dass Seelsorge mitten im Leben passiert, bekräftigt Heinrich und zeigt in diesem Zusammenhang auch auf den Einband einer Infobroschüre, die sie im Pavillon am Riesenrad haben. Praktisch alle Bereiche, in denen Leute wie er, Hartig oder Meyreiss tätig werden, sind dort abgebildet.
Auf der Illustration zu Heinrichs Einsatzgebiet sind u. a. Autoscooter zu sehen, und auf den Böden dieser Fahrgeschäfte hat Heinrich schon konfirmiert oder getauft... Im Zirkus macht er das im Chapiteau. Wenn er gerufen wird - und es scheint, als sei das oft der Fall.
Torsten Heinrich reist als Seelsorger zu seiner Gemeinde
Nicht weniger als 60.000 Kilometer legt Heinrich an 200 Tagen im Jahr zurück, um zu seiner „Gemeinde auf Reisen“ zu gelangen. Es sei für sie in der Regel nicht möglich, während ihrer Gastspiele an die bestehenden Ortsgemeinden anzudocken. Bedenke man, dass aus der Branche viele Christen sind, so ist das Angebot der evangelischen Kirche ausgesucht wichtig.
Wie es eigentlich kommt, dass gerade im Zirkus und bei Schaustellern der Glaube oft stärker ausgeprägt ist als bei anderen, in entchristlichten Landstrichen zumal? Heinrich sagt: „Bei ihrem bewegten Leben haben sie sich diesen Haltepfeiler stärker bewahrt.“
Auch Schausteller Enrico Sperlich hatte in dieser Zeitung einmal betont, „natürlich“ Christ zu sein. Nun also lässt sich in seinem Riesenrad „Zwischen Himmel und Erde“ der leitende Circus- und Schausteller-Seelsorger Heinrich trauen. Über die Gondeln sagt der im Hinblick auf den Auftritt auf der Weltausstellung, sie seien wie „Beichtkammern“.
Torsten Heinrich selbst wird nächste Woche eher nicht beichten, sondern Ja sagen zu seiner Frau, die übrigens ebenfalls Pfarrerin ist. Standesamtlich getraut werden sie von Oberbürgermeister Torsten Zugehör. (mz)