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Weltausstellung Reformation Weltausstellung Reformation: Enttäuschender Zuspruch in Wittenberg

Von Marcel Duclaud 21.06.2017, 08:36
Schöner Ort, wenig Publikum: Im Schweizer Pavillon arbeitet Martje Hänsch an der (nachgebauten) Gutenberg-Druckerpresse.
Schöner Ort, wenig Publikum: Im Schweizer Pavillon arbeitet Martje Hänsch an der (nachgebauten) Gutenberg-Druckerpresse. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Die Enttäuschung ist deutlich zu spüren. In der Altstadt brummt der Tourismus, die Thesentür ist dicht belagert, das Lutherhaus gut besucht, die Stadtführer haben ordentlich zu tun in diesen Tagen dieses besonderen Jahres. Allein in den Wallanlagen herrscht beschauliche Ruhe, hier ein Pärchen, dort ein Spaziergänger, ab und zu mal ein Grüppchen.

Dass rund um die Altstadt eine Weltausstellung präsentiert wird, aufwendig vorbereitet und nicht ganz billig, spannend in der Themensetzung wie in der Gestaltung, man möchte es angesichts solch spärlicher Resonanz gar nicht glauben.

Im Schweizer Pavillon macht sich Manuel Erhardt, der aus Biel im Kanton Bern kommt, an der Druckerpresse zu schaffen. Die ist eigens für die Weltausstellung angefertigt worden von einem Schreiner aus Yverdon, Nachbau einer Gutenberg-Presse, ein wirkliches Schmuckstück, wie der gesamte Bau, der von Architekten für genau diesen Platz in den Wittenberger Wallanlagen entworfen worden ist.

Er soll die Reformation in der Schweiz versinnbildlichen: bodenständig, schlicht, transparent. Auf der Druckerpresse wird die Zürcher Bibel von Zwingli gedruckt, Bogen für Bogen, zwei bis vier Seiten pro Tag, damit es bis September reicht.

Der Pavillon will das Gleichgewicht halten zwischen Information und Erlebnis, das gelingt ganz ausgezeichnet. Nur: An diesem Vormittag interessiert sich kein Mensch dafür. An den Wochenenden sei die Resonanz besser, unter der Woche eher mau.

Ähnliches Bild an anderen Orten dieser an Angeboten so reichen Weltausstellung. Oft gähnende Leere, junge Leute schauen ein bisschen gelangweilt auf ihre Smartphones und freuen sich über jeden, der ein bisschen Interesse zeigt.

Bei der Lichtkirche und dem Segensroboter, der international für Furore sorgt, sind Ehrenamtliche dabei, Gras zu zupfen. Es gibt sonst nicht viel zu tun. Pfarrer Fabian Vogt von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zählt auf: „220 Leute sind hier eingebunden, 20 Pfarrer, 200 Ehrenamtliche.“ Der Aufwand ist immens.

Er redet also nicht drum herum: „Von den Zahlen her ist die Resonanz sehr enttäuschend.“ Immerhin: An guten Tagen werden schon mal bis zu 250 Besucher registriert. Was wesentlich mit der „Weltkarriere unseres Segensroboters“ zu tun haben dürfte.

Pfarrer Vogt gewinnt der beschaulichen Ruhe dennoch positive Seiten ab: „Wir haben so die Zeit, bewegende und intensive Gespräche zu führen. Bei uns ist die Laune gut, wir lassen uns die Stimmung nicht verderben.“ Man kann nicht alles an Zahlen festmachen, bemerkt er noch und: Womöglich ist ja doch der eine oder andere „marketingtechnische Fehler“ gemacht worden.

Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Vereins Reformationsjubiläum, sieht die naturgemäß nicht. Er räumt aber ein: „Wir würden uns mehr Gäste wünschen.“ Allerdings sei ein schleppender Beginn nicht unüblich und sein Eindruck laute: „Es zieht langsam an.“ Allein am vergangenen Wochenende seien 30 Reisebusse eingetroffen, wegen der Weltausstellung.

Schneider betont im MZ-Gespräch: „Wir haben eine großartige Ausstellung und die Leute, die sie gesehen haben, sind begeistert.“ Unbenommen, nur waren es bislang nicht allzu viele, legt man die hohen Erwartungen zugrunde.

Nach vier Wochen haben die Organisatoren erste Zahlen vorgelegt. Die Rede ist von 40.000 Einzelbesuchern und 4.000 verkauften Saisontickets. Wird das hochgerechnet bis September, sind die avisierten 500.000 zahlenden Gäste ein ordentliches Stück entfernt. Von der Größe 500.000 abweichen will Schneider indes noch nicht.

Er setzt jetzt auf mehr Werbung: „In der Stadt sind ja viele Leute, die aber nicht in die Wallanlagen kommen. Die müssen wir erreichen.“ Zum Beispiel durch große Bodenaufkleber. Und Flyer in Geschäften, Hotels, Gasthäusern.

Überregional soll die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt werden, in den Medien aber auch in den Landeskirchen, damit die ihre Gemeinden motivieren, eine Reise an den Ursprungsort der Reformation zu unternehmen. Schneider: „Wir haben für all das Kräfte und finanzielle Ressourcen aufgespart.“

Dass es im (kirchenfernen) Wittenberg Vorbehalte gibt, will der Geschäftsführer nicht leugnen, sagt aber auch, „einen Umschwung zum Positiven wahrzunehmen.“ Schneider betont: „Es geht uns nicht um Missionierung, sondern um das Stellen von Zukunftsfragen und die Suche nach Antworten.“ (mz)