1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Weblog 1. September : Weblog 1. September : Der letzte Tag des Sommers

Weblog 1. September  Weblog 1. September : Der letzte Tag des Sommers

Von Peter Benedix 01.09.2017, 07:00
Der Bunkerberg aus der Vogelperspektive
Der Bunkerberg aus der Vogelperspektive Benedix

Wittenberg - Dieser Tag war anders. Um kurz nach zehn komme ich am Wittenberger Hauptbahnhof an. Das Auto meiner Mutter steht wie immer frohen Mutes am Bahnhof und wartet auf mich. Kurzer Zwischenstopp bei meinen Eltern um aufs Klo zu gehen (ich weigere mich am Bahnhof 1,- € dafür zu zahlen) und dann ab zur Pressekonferenz der Themenwoche „Bewahrung der Schöpfung“.

Schon jetzt ist spürbar, dass dies einer der heißesten Tage des Jahres werden wird. Bereits im Zug habe ich mich mit Sonnencreme eingedeckt und jetzt, im Zelt des Transformationspavillons vorm alten Melanchthon-Gymnasium, rinnt mir der Schweiß in Bächen den Rücken herunter. Da ich irgendwie der einzige Journalist bin beschließen wir, die PK ausfallen zu lassen. Stattdessen führe ich ein kurzes Interview mit Frau Höhne von der evangelischen Akademie.

Das Thema ist kompliziert – wie kann die Kirche zur Bewahrung der Schöpfung beitragen? Immerhin ist sie nicht Teil einer der drei Gewalten im Staate und hat daher keine direkte Handhabe. Dennoch möchte sie leitend und wegweisend wirken. Dass dies gerade in Ostdeutschland aufgrund des geschichtlichen Hintergrundes nicht immer einfach ist, liegt auf der Hand.

Mir fällt auf, dass die Stimmung um mich herum irgendwie anders ist. Eine Gruppe Volunteers sitzt vor dem Pavillon und wirkt niedergeschlagen. Ich schiebe es auf die Erschöpfung eines langen Reformationssommers und den heißen Tag.

Das Interview ist kurz, aber gut und das Wetter immer noch perfekt um ein paar fehlende Aufnahmen einzusammeln. Also ab zum Riesenrad. Kurze Vorstellung meiner Person und des Projekts, Bitte um Abschaltung der Diskomusik und ab mit einer Seelsorgerin in die nächste Gondel. Menschen können sich hier in dieser kleinen Kapsel hoch über den Dächern Wittenbergs ihre Sorgen von der Seele reden und es wird zugehört.

Ich kann mir zwar vorstellen, dass die ständig laufenden Hits wie „Macarena“ und „Ein Stern“ da etwas störend sein können, aber klammern wir das jetzt mal aus. Mir hat die Ausstrahlung von Seelsorgern schon immer imponiert. Sie wirken so sehr in sich ruhend, dass sie diese Ruhe auf ihr Gegenüber übertragen können. Auch finde ich die Fähigkeit der Abgrenzung bemerkenswert, denn oft ist es keine leichte Kost, die diese Menschen zu verdauen haben.

Peter Benedix ist Filmregisseur und arbeitet an einer Langzeit-Dokumentation über das Reformationsjubiläum 2017 in der Lutherstadt Wittenberg. Auf der Seite www.mz.de/herz und www.worandeinherz.de berichtet der 36-Jährige über die Fortschritte bei den Arbeiten an dem abendfüllenden Film über seine Heimatstadt. Sie erreichen Peter Benedix per Mail unter [email protected]

Wir unterhalten uns über ihren Beruf, ihre Berufung und die EKD als solche im Reformationssommer 2017. Nach zehn Runden steigen wir aus und ich erhalte noch eine Broschüre über die verschiedenen Formen der Seelsorge. Wussten Sie, dass es auch eine spezielle Betreuung für Schausteller und Zirkusleute gibt? Die Erlebnisse aus dem Alltag dieses Berufes, welche in dem Heft beschrieben werden, sind mitunter harter Tobak.

Es geht weiter zum Bunkerberg, denn auch den hatte ich bisher noch nicht bei entsprechendem Wetter vor der Linse. Vor einer Woche haben wir dort Luftaufnahmen mit einer Drohne gemacht und die Leute haben ständig gewinkt. Warum machen Menschen das? Es winkt niemand zurück und im Fernsehen sieht es immer panne aus. Egal – jedenfalls gehe ich in den Pavillon am Bunkerberg und spreche mit einem der Verantwortlichen. 

Bis auf uns zwei und drei Ordensschwestern ist der Raum leer. Sehr schön, aber leer. Der Herr erzählt mir von wundervollen Begegnungen, die hier stattgefunden haben. Kritische und begeisterte Stimmen bereicherten seinen Erfahrungsschatz und lassen auch ihn eine positive Vorabbilanz dieses Sommers ziehen. Ähnliches höre ich auch im Pavillon „Württemberg in Wittenberg“. Auch hier ziehen die Verantwortlichen eine positive Bilanz und dies scheint mir ehrlich und nicht aus Gründen des Marketings heraus gemeint. Ohnehin scheint Qualität vor Quantität derzeit das Credo zu sein.

Nach einem Mittagessen im Culinela gehe ich Toilettenmann Jörg am Schlossplatz besuchen. Hier erfahre ich den Grund für die merkwürdige Stimmung von heute Morgen. Am Abend zuvor ist eine junge Volunteer in Wittenberg mit dem Fahrrad tödlich verunglückt. Die Andacht fand statt, als ich im Riesenrad meine Runden drehte. Es bedarf keiner weiteren Worte, um die aktuelle Situation im Refo-Verein zu beschreiben. Dass dies nichts in einem solchen Film zu suchen hat, versteht sich von selbst.

Umso dankbarer war ich dann, als Christoph Vetter, zu dessen Team die junge Frau gehörte, das vereinbarte Interview am Nachmittag trotzdem mit mir durchführte. Wir setzten uns an den Bierstand am Markt und ich stellte meine Fragen. Für Herrn Vetter und viele seiner Freunde und Kollegen, ist die Zeit in Wittenberg fast vorüber.

In gut einer Woche endet die Weltausstellung und zehn Tage später enden auch für ihn intensive und erfahrungsreiche zwei Jahre. Aufbruchsstimmung kann ich nicht erkennen – vielmehr eine leise Melancholie und die Erkenntnis, an etwas Einmaligem teilgenommen zu haben.

Aber noch gibt es paar Termine, die es erfolgreich zu absolvieren gilt. Am 8. September gibt es die finale Bilanz und am 10. September dann einen Gottesdienst zum Abschluss der Weltausstellung. Für uns hier in der Stadt geht es natürlich bis zum 31.10. munter weiter in Sachen Reformationsjubiläum, aber ich denke, dass dem ein oder anderem die Stadt auf einmal etwas leerer vorkommen wird. (mz)