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„Es geht weiter“ Warum Onkologin im Ruhestand immer noch in der Klinik arbeitet

Mit 65 Jahren plant die Onkologin Cornelia Winkelmann ihren Ruhestand. Warum sie dennoch stundenweise in der Klinik ist und was sie vor hat.

Von Corinna Nitz 08.07.2021, 08:00
Die Onkologin Dr. med. Cornelia Winkelmann geht nach fast 40-jähriger Tätigkeit im Paul Gerhardt Stift langsam in Richtung Ruhestand. Ihre Nachfolge hat  Dr. med. Viktoria Krupnik-Nietzold angetreten.
Die Onkologin Dr. med. Cornelia Winkelmann geht nach fast 40-jähriger Tätigkeit im Paul Gerhardt Stift langsam in Richtung Ruhestand. Ihre Nachfolge hat Dr. med. Viktoria Krupnik-Nietzold angetreten. Foto: Janet Pötzsch

Wittenberg/MZ - Wenn Cornelia Winkelmann vom Übergang in den Ruhestand spricht, ist die Rede auch von Entschleunigung. Bei mitunter 60 bis 70 Wochenarbeitsstunden zu Spitzenzeiten (Stichwort: Bereitschaftsdienste) verwundert das kaum. Anders gesagt: Von über 100 abrupt auf Null zu gehen, wäre nicht gut. Vor allem, so die Onkologin, Hämatologin und Palliativmedizinerin, die fast 40 Jahre im evangelischen Krankenhaus Paul Gerhardt Stift in Wittenberg tätig war, sei ihr daran gelegen, dass die Nachfolgerin gut eingearbeitet werden kann. Und die Patienten soll(t)en merken, „dass es nahtlos weitergeht“.

Stundenweise ist Winkelmann also bis zum Jahresende noch in der Ambulanz, zudem bleibt sie vorerst in der ambulanten Palliativversorgung aktiv. Patienten in der letzten Lebensphase zu Hause zu betreuen, scheint ihr nach wie vor eine Herzensangelegenheit - und auch beim ersten MZ-Anruf ist sie gerade unterwegs.

Positive Entwicklung

Dass die Behandlung von Leukämie-Patienten zu ihrem Spezialgebiet werden würde, war nicht geplant - so steht es in einer Mitteilung des Hauses und darauf angesprochen sagt Winkelmann zur MZ: „Eigentlich wollte ich in die Gefäßdiagnostik, das fand ich überschaubar.“ Zudem hatte sie die Sorge, der Schwere in der Tumormedizin mit allem, was an Schicksalen daran hängt, womöglich nicht immer gewachsen zu sein. Dies galt wohl umso mehr, als zu Beginn ihrer hämatologischen Tätigkeit Patienten mit einer chronisch myeloischen Leukämie innerhalb von vier bis fünf Jahren nach Erstdiagnose starben. „Heute stehen uns Medikamente zur Verfügung, mit denen wir 98 Prozent der oft auch jüngeren Patienten heilen können.“

Darüber hinaus habe es auch für Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie enorme Entwicklungen gegeben: „Zu Beginn meiner Tätigkeit hatten wir zwei Chemotherapeutika im Einsatz, jetzt können wir zwischen zwölf Medikamenten auswählen und der Trend geht zur Chemotherapie-freien Behandlung dieser Erkrankung“, so Cornelia Winkelmann weiter. Bei allem Fortschritt bleibt der Umgang mit Schwerstkranken und Todgeweihten sicher auch für erfahrene Ärzte eine Herausforderung. Dass es schwierige Situationen gibt, räumt Winkelmann ein. In erster Linie aber sei sie dankbar für viele Begegnungen in Palliativsituationen. Man reift, sagt die Ärztin und auch: „Das Leben gewinnt mehr Tiefe.“

Vielfältiges Engagement

Tiefe gewann ihr Leben neben dem Persönlichen und der eigentlichen Erwerbsbiografie noch in anderer Hinsicht: Unter anderem war Winkelmann einmal Stadtratsvorsitzende, sie engagiert sich im Gemeindekirchenrat der evangelischen Stadtkirchengemeinde. Solche Gremienarbeit ist bekanntlich nicht immer nur reines Vergnügen, Winkelmann spricht auch von protestantischem Verantwortungsbewusstsein.

Ein Ausgleich sei immer die Musik gewesen, sie hat mal Geige gespielt, ihr Mann, Johannes Winkelmann, spielt bis heute Cello im Paul-Gerhardt-Orchester. Das Paar hat inzwischen fünf Enkel - und bald mehr Zeit auch für sie. Besonders freut sich Cornelia Winkelmann übrigens, dass Unternehmungen „auch an Wochenenden“ nun zuverlässiger geplant werden können. Radtouren, Reisen, Kulturerlebnisse. Dazu gehört das Lesen und in Zukunft dürften an die Stelle von Fachliteratur öfter andere Texte treten.

Was die Zukunft der Arbeit betrifft, respektive ihre Nachfolge, so betont sie, ein „sehr gutes Gefühl“ zu haben. Und sowohl ihren Patienten als auch zuweisenden Ärzten sei sie dankbar „für das entgegengebrachte Vertrauen“.