Stein um Stein Wallanlagen in Wittenberg sollen saniert werden - Wo es einst sogar einen Wasserfall gab
Zwei Denkmale, die aus preußischer Sicht an die Befreiungskriege erinnern, sollen saniert werden. Als erster ist der Tauentzienstein an der Reihe.
Wittenberg/MZ - Besonders schön sind sie beide nicht, und das hat nicht nur mit ihrem Zustand zu tun. Auch würde heutzutage wohl niemand mehr auf die Idee kommen, Generälen und Schlachten ein Denkmal zu setzen. Militarismus ist out in der Lutherstadt, seit Anfang der 1990er der Sowjet-Panzer vom Sockel geholt wurde - nur wenige Dutzend Meter Luftlinie entfernt von Tauentzienstein und Batteriestein.
Beide sind überkommene Erinnerungszeugen an die Zeit der Befreiungskriege vor gut 200 Jahren - und selbst Denkmale im Denkmal Wallanlagen. Deshalb werden sie saniert. Nur deshalb, „als Teil der Wallanlagen“, wie Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) betont, wissend um all die Denkmale, die andernorts derzeit geschleift werden, weil sie nicht mehr ins heutige Weltbild passen.
Sie haben es bitter nötig
Tauentzienstein und Batteriestein werden einer drastischen Verjüngungskur unterzogen, weil sie im 51 Einträge fassenden Wittenberger Denkmalsregister die bedauerlichen letzten Ränge einnehmen, noch vor all den Kriegerdenkmalen in den Ortschaften, die hier ebenfalls verzeichnet sind. Lange waren beide fast allen schnurz und ziemlich versteckt im Grün des Stadtparks, das ist der westliche Teil der Wallanlagen an der B 2. Doch in der kommenden Woche soll nun die Sanierung des Tauentzien beginnen, benannt nach jenem preußischen General und Grafen Bogislav Friedrich Emanuel von Tauentzien, der in der Nacht zum 14. Januar 1814 die Festung Wittenberg einnahm, „im Sturm“, wie es bei Wikipedia heute noch heißt.
Ein Sattelschlepper wird die 1,3 Tonnen Generalsdenkmal entfernen und dauerhaft einlagern, denn zu reparieren wäre daran kaum mehr etwas. Das Denkmal entsteht vielmehr komplett neu, es wird rekonstruiert, und zwar in einer halleschen Werkstatt, samt dem ursprünglichen Medaillon und den verwaschenen Inschriften. Selbst die vier Kugeln obenauf, längst verloren, kommen wieder drauf, hieß es jetzt beim Ortstermin. Gut 25.000 Euro lässt sich die Stadt das kosten, genutzt werden hierfür Ausgleichsbeträge aus dem Sanierungsgebiet Altstadt.
Dass nicht einfach so drauflos rekonstruiert wird, versteht sich, hoch interessant ist allerdings, was die Recherchen der Stadt bzw. der Städtischen Sammlungen ergeben haben: Der Tauentzien an der tosenden Bundesstraße stand früher ganz woanders - und er ist gar kein Original. Was 1914 zum Hundertsten der Eroberungsschlacht aufgestellt wurde, sei bereits 1925 von Unbekannten derart beschädigt worden, dass Ersatz her musste. Den freilich besorgte, wie sich ebenfalls erst jetzt herausstellte, der nicht unbekannte Bildhauer Wilhelm Rex, der in Wittenberg etwa auch an der Luthereiche tätig war, „im modernen Stil“. Und erst 1992 zog dieser Tauentzien dann vom Casinoberg an die B 2, berichtet die für die Wallanlagen zuständige Stadtplanerin Anett Paul.
Etwa in diesen Bereich soll er auch wieder hinkommen, womöglich etwas versetzt, damit man die Inschriften auch bei widrigem Sonnenstand ordentlich lesen kann, wie Pauls Kollegin vom Fachbereich Öffentliches Bauen, Katja Hübner, ergänzt. Dies müsse aber noch mit der Denkmalpflege abgestimmt werden. Ende des Jahres soll der Erinnerungsstein des Erinnerungssteins des Erinnerungssteins an den Eroberer Wittenbergs 1814 wieder an Ort und Stelle sein.
Was will man wiederhaben?
Noch etwas unkonkret ist demgegenüber das künftige Schicksal des Batteriesteins. Nur wenige Schritte gen Norden vom Tauentzien entfernt, wird an der „gartendenkmalpflegerischen Zielstellung“ für dieses Denkmal noch gearbeitet. Die Frage lautet: Was genau, welchen Zustand aus welcher Zeit will man wiederherstellen?
Im Kern ein künstlicher Steinhaufen in Pyramidenform mit zwei Schrifttafeln, von denen die straßenseitige gar nicht mehr lesbar ist, entstand dieses Denkmal bereits 1864 - und damit noch vor der Entfestigung ab 1873, die Wittenberg schließlich die Wallanlagen als Erholungsort bescherte. Erinnert wird mit der Pyramide an den Standort der Batterie, mit der die preußischen Belagerer 1814 die Festung beschossen. „Der aktuelle Zustand entspricht in keiner Weise dem ursprünglichen Aussehen“, heißt es in einer Mitteilung zum Batteriestein - und dieses ursprüngliche Aussehen ist auch der Grund, warum laut Stadt derzeit noch gar keine verlässlichen Angaben zu Zeit und Geld gemacht werden können.
Da war sogar ein Wasserfall
Folgt man den Schilderungen von Anett Paul, handelte es sich beim Batteriestein einst nämlich um eine Art Gesamtkunstwerk: Unterlagen von 1905 zeigten einen Wasserfall, der sich hinab auf den Grund der Anlagen ergießt, außerdem habe es ein Wasserbecken direkt vor der Gedenktafel gegeben. Die Wasserzufuhr erfolgte von der Berliner Straße aus, berichtete Paul unter Berufung auf die Recherchen der Städtischen Sammlungen. Ob und was davon wiederhergestellt werden kann, ist offen und letztlich auch eine Frage des Geldes.