Vorwürfe im Landkreis Wittenberg Vorwürfe im Landkreis Wittenberg: Finanzthriller um die Sparkasse

Wittenberg - Roland Kurz ist in Wittenberg alles andere als unbekannt. Zehn Jahre war er Stadtbaudirektor und eine kurze Zeit auch Vize-Bürgermeister. Zur Wende wechselt der heute 64-Jährige die Seiten: Der Diplom-Ingenieur macht sich selbstständig.
Jetzt sorgt er für Aufsehen, weil er erfolgreich in Sachen Müllgebühren Verwaltung und Politik bekämpft und Fehler für Fehler gerichtsfest nachweist. Peinlicher geht es nicht mehr. Die MZ titelt zur Jahrtausendwende: „Landkreis gegen Roland Kurz 0:6!“. Der Mann siegt, siegt und siegt weiter.
Niederlage gegen Sparkasse und kreis Wittenberg droht jetzt
Doch ausgerechnet in seiner ganz privaten Auseinandersetzung mit der Sparkasse und dem Landkreis droht jetzt eine empfindliche Niederlage. Es geht um eine private Tragödie. „Die wollen mich aus meinem Haus setzen“, sagt er der MZ. Das sei das Ergebnis eines Zwangsversteigerungsverfahrens.
Roland Kurz ist nicht der einzige Kritiker der Sparkasse. Ein Rentner hat sich sogar als Wittenberger Kandidat für das „unerschrockene Wort“ beworben. Der Mann lässt kein gutes Haar am Geldinstitut und spricht von „selbst gebackener Bankendemokratie durch befohlenes Wegschauen.“ Die Stadt hat sich in einem sehr freundlichen Brief für die Selbst-Nominierung bedankt und den Stadträten die Unterlagen zur Entscheidung überreicht. In einer nichtöffentlichen Sitzung haben die Volksvertreter ihr immer noch geheimes Votum gefällt. Der Bankenkritiker hat allerdings dabei nach MZ-Informationen nicht den Zuschlag der Politiker erhalten.
Den Zuschlag erhält die S-Immobilien Wittenberg GmbH. „Und die bestehen auf einer Räumung und Herausgabe“, so Kurz. Doch der Mann hat noch eine Trumpfkarte - seine Kontrahenten sprechen von einem Strohhalm - in der Hand. Die Gründung des Geldinstituts, so seine These, sei 1990 nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Die Behauptung sorgte schon vor zwölf Jahren für Unruhe. Kurz listete die mutmaßlichen Fehler auf 30 Seiten auf und nannte sein Papier Gutachten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ dem Wittenberger mitteilen, die „Ausführungen sind aufmerksam aufgenommen“ worden.
Vor Gericht hagelte es aber Niederlagen. Kurz hat, so formulierte es das Geldinstitut, „in nicht einer Entscheidung auch nur im Ansatz Recht bekommen“. Es wurde das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg zitiert. Demnach gebe es „keinerlei Zweifel an der wirksamen Gründung“ der Bank.
So zog Hartmut Dammer den vermeintlichen Schlussstrich. „Die Sparkasse gibt es doch und der Landkreis ist der Träger“, erklärte vor zehn Jahren der damalige Landrat im Kreistag und pointierte: „Die schlechte Nachricht ist, dass die Leute ihre Kredite zurückzahlen müssen.“ Das war eine öffentliche Ohrfeige für Kurz. Für diese Genugtuung verletzten die damals Verantwortlichen - der Vorwurf wird nie dementiert - das Bankgeheimnis.
„Wo es keinen Kreditvertrag gibt, kann ich nichts zurückzahlen“, sagt Kurz jetzt in der Redaktion und spricht „von schwebenden unwirksamen Vertragsangeboten“. „Zurückzahlen will ich, aber ich bin nicht bereit, Bearbeitungsgebühren, Disagio oder etwas Ähnliches zu bezahlen“, begründet er.
Schließlich sei eben die Sparkasse 1990 nicht ordentlich gegründet worden. Eine einfache Namensänderung reiche dazu nicht aus. Und der Fehler sei bisher nicht aus der Welt geschafft worden. „Das haben die vertrottelt“, behauptet er. Wilhelm Fisser, Sparkassenchef von Mitte 2001 bis Ende 2008, gefällt der öffentliche Streit überhaupt nicht und er droht eine einstweilige Verfügung an, die Kurz untersagen soll, seine Behauptung, die Sparkasse sei nicht existent, zu verbreiten.
Doch dazu kommt es nicht. „An die Details kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich dachte, die Geschichte ist längst begraben“, sagt Fisser, der heute als Pensionär in seiner Heimat Bocholt lebt. Seinem Widerpart zollt er Respekt. Die Hartnäckigkeit „ist beeindruckend“.
Laut MZ-Archiv gibt es zwei Erklärungen für die fehlende Unterlassungserklärung. „Dieser Schritt ist nicht nötig“, sagte Fisser. Der Landkreis kommt nach einer Beratung „mit unserem Rechtsbeistand“ zur Erkenntnis, dass die Vorwürfe von Kurz als Meinungsäußerung verstanden werden können. Dagegen könne keine Unterlassung beantragt werden.
Das ist alles andere als die ganze Wahrheit. Es ist ein starkes Indiz dafür, dass die Argumentation von Kurz nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gibt dem Wittenberger Rückendeckung. „Es bestehen Zweifel, dass der Kreis Träger der Sparkasse geworden ist“, so die Bafin und schreibt: „Unstreitig hat der Kreis eine Überleitungssatzung nicht erlassen.“
Das sind die aktuellen Trümpfe von Roland Kurz. Doch der Wert der Aussagen ist umstritten. „Die zweifelnde Rechtsauffassung der Bafin wird durch die Sparkassenaufsichtsbehörde nicht geteilt“, betont Wolfgang Borchardt, der Pressesprecher des Magdeburger Finanzministeriums. Thomas Arndt geht sogar noch weiter.
Nach seinen Angaben habe sich die Bafin längst selbst korrigiert. „Die Bafin hat sich der gerichtlichen Rechtsauffassung angeschlossen, weshalb aus deren Sicht weder damals noch heute ein Handlungsbedarf besteht“, so der aktuelle Sparkassenchef.
Doch nicht alles, was die Amtspersonen an Geschützen gegen Kurz auffahren, hält einer Überprüfung stand. Dafür ein Beispiel. Die angekündigte Strafanzeige wegen Nötigung gegen das Ehepaar sei tatsächlich bei der Staatsanwaltschaft eingereicht worden, wird noch vor zwölf Jahren behauptet. „Ein solches Strafverfahren hat es nie gegeben“, sagt dagegen Kurz.
Stimmt das, hat das eine politische Brisanz. Dann wäre nämlich die Öffentlichkeit falsch informiert worden. Wittenbergs aktueller Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) lässt dazu über seinen Pressesprecher ausrichten, dass er mit den Vorständen der Sparkasse vereinbart habe, dass nur sie über Angelegenheiten des Geldinstituts informier werden. Und auch eine schriftliche MZ-Anfrage bei der Staatsanwaltschaft läuft ins Leere.
Briefe an Landtagsmitglieder
Kurz, der einst selbst vor einer Strafanzeige gegen Ex-Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) nicht zurückgeschreckt hat und das inklusive des Einstellens des Verfahrens belegen kann, schreibt wieder Briefe und setzt dabei auf die Landespolitik. „Jeder Abgeordnete erhält ein Schreiben“, kündigt er an. Die Volksvertreter, das ist das Ziel der Aktion, sollen sogenannte Kleine Anfragen an die Landesregierung stellen.
Matthias Lieschke (AfD) hat das - nach eigenen Angaben unabhängig von Kurz - getan. Die Antworten vom Ministerium für Finanzen sind nicht überraschend: Die Sparkasse existiert und der Träger ist der Landkreis. Der Abgeordnete bewertet die Antworten - „die sind noch frisch“ - auf seine fünf Fragen in einer ersten Stellungnahme als „präzise und ordentlich“.
Als Info erhält er die Satzung des Geldinstituts. Die Ergebnisse „unserer kleinen Recherche“ werden laut Lieschke jetzt in der Fraktion ausgewertet. Danach werde entschieden, ob Handlungsbedarf bestehe. (mz)