1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Von wegen Rollenspiel: Von wegen Rollenspiel: Wittenberger wegen Vergewaltigung zu Haftstrafe verurteilt

Von wegen Rollenspiel Von wegen Rollenspiel: Wittenberger wegen Vergewaltigung zu Haftstrafe verurteilt

Von Thomas Steinberg 08.07.2013, 07:07

Wittenberg/MZ - Zu vier Jahren Haft hat das Landgericht Dessau den 23-jährigen Wittenberger David K. wegen Vergewaltigung der 34-jährigen Nina M. verurteilt. Dass K. im November vergangenen Jahres die Frau, die er in einer Disko kennengelernt hatte, auf dem Heimweg in der Wittenberger Nordend-Straße in die Büsche gezerrt und vergewaltigt habe, sieht das Gericht unterm Vorsitz von Richter Stefan Caspari als erwiesen an.

Perfide Intelligenz

David K. ist ein ungewöhnlicher Angeklagter. Ungewöhnlich, weil er den Vorwurf bestreitet und trotzdem genauso viel redet, wie sein Verteidiger, obwohl dessen Rat lautet: Klappe halten, kein Wort ohne vorherige Abstimmung. Vor allem jedoch ist K. ein unheimlicher Angeklagter. Unheimlich, weil er jene perfide Intelligenz besitzt, sich sofort auf Situationen einzustellen, Menschen durchschaut und ihnen Interesse vorspiegelt. Am ersten Verhandlungstag wirkt es immer wieder so, als ziehe K. alle Beteiligten am Nasenring durch die Gegend.

Seine Art mag sogar bei manchen Frauen verfangen, die dem Irrtum aufsitzen, K. für charmant zu halten. Tatsächlich ist K. von einem äußersten Egoismus getrieben; endlos spricht er darüber, wie er im Knast an sich gearbeitet und gebessert habe. Dort hat er vier Jahre gesessen wegen versuchten Totschlags.

Im Sommer 2012 wird er entlassen. Im November trifft er in einer Disko auf sein späteres Opfer. Man schwatzt miteinander, tanzt und unterhält sich über Beziehungskisten. Details ausgenommen, stimmen die Schilderungen des Abends von Opfer und Täter überein. Gegen 6 Uhr verließen beide die Diskothek. K. drängte sich der angetrunkenen M. als Begleiter für den Nachhauseweg auf.

Von dem Moment an unterscheiden sich die Darstellungen. K. behauptet, man habe über Sex gesprochen und M. ihm ein Rollenspiel vorgeschlagen: er solle so tun, als vergewaltige er sie. Ihm sei das merkwürdig vorgekommen, habe sich schließlich darauf eingelassen, der Sex sei einvernehmlich erfolgt.

Ganz anders M. Völlig überraschend sei sie von K. ins Gebüsch gezogen und vergewaltigt worden. Die Situation ist typisch, für Vergewaltigungsprozesse: Es steht nicht nur Aussage gegen Aussage, es fehlen zudem objektive Beweismittel. Keine Verletzungen beim Opfer? Sowohl der erstuntersuchende Arzt wie eine Gerichtsmedizinerin bestätigen, dies sei bei Vergewaltigungen nicht ungewöhnlich.

Von einer „Psychopathologie im engeren Sinne“ will der Gutachter nicht sprechen, es liege eine „hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens“ vor. Mit der Diagnose ist er kein Fall für die Sicherungsverwahrung nach dem Knast.

Zwei Zeugen gibt es immerhin. Frau S., der das auf dem Radweg liegende Mountainbike aufgefallen war und die aus dem Auto ausstieg und etwas hörte: Hinter einem Gebüsch drang das Wimmern einer Frau hervor. Und sogleich eine Männerstimme: „Alles in Ordnung, fahren Sie weiter.“

S. fuhr weiter – und alarmierte die Polizei. Auch der von Arbeit heimradelnde D., der wegen des quer über den Weg liegenden Fahrrades anhält. M. bekam das wohl mit, fing an zu schreien. D. schaute nach, sah die beiden, fragte: „Alles okay?“ Ja, versuchte K. zu beruhigen, D. solle weiterfahren. Was D. nicht tat, stattdessen sprang K. auf und machte sich aus dem Staub, als D. sich um M. kümmerte. Er erkannte in ihr seine Nachbarin.

Zeugen versenken Theorie

Die Behauptung vom Rollenspiel ist einer der zentralen Punkte in der Verteidigungsstrategie von K. und seinem Verteidiger Sven K. Schneider. Der herrscht M. einmal an: „Erzählen Sie mir nicht vom Pferd. Wenn ich als Frau vergewaltigt werde, schrei’ ich wie am Spieß.“ Die Rollenspiel-Theorie wird von Zeugen versenkt, nach denen Schneider selbst verlangt hatte. Zwei frühere Partner von M. sagen aus, man habe niemals solche Spiele getrieben.

Für Staatsanwalt und Nebenklage ist der Fall klar: Es gab eine Vergewaltigung. Nach anderthalbstündiger Beratung verkündet das Gericht sein Urteil. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.