Versandapotheke gegen Filiale Versandapotheke gegen Filiale: Paket statt Tresen?
Wittenberg - Ein rasches Apothekensterben wegen der Konkurrenz per Briefträger befürchtet ein MZ-Leser.In einem Brief an die Redaktion schildert er seine Sorgen um die künftige Versorgung mit Medikamenten im ländlichen Raum.
„Wenn man heute noch das Gefühl hat, dass im Landkreis genügend Apotheken existieren, so wird sich das Bild zunehmend durch Versandapotheken ändern. Natürlich ist es bequem, wenn der Weg zur nächsten Apotheke wegfällt und per Mausklick die Pillenpackung frei Haus geliefert wird“, schreibt er. Der Beipackzettel könne aber nicht die Kompetenz vor Ort ersetzen.
Kleiner Anteil am Geschäft
Bedrohen die Versandapotheken wirklich die Existenz ihrer Pendants ohne Internetshop vor Ort? Die MZ haben bei Christian Buse, Chef der Wittenberger Versandapotheke Mycare.de und Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken, nachgefragt. Christian Buse und sein Bruder Matthias Buse haben ihren Versandshop 2001 gegründet, als sie sich überlegt hatten, wie die von den Eltern gegründete Robert-Koch-Apotheke in Wittenberg noch wachsen könnte.
„Generell muss man sagen, dass die Zahl der Apotheken in Deutschland abnimmt“, sagt Christian Buse im Gespräch mit der MZ. Allerdings betreffe das vor allem die vergangenen Jahre - den Versandhandel gebe es aber schon seit 2004 in Deutschland. Der Umsatz sei zuletzt kräftig gestiegen, wobei der Versandhandel nur einen Anteil von zwei bis drei Prozent am Gesamtumsatz aller Apotheken habe.
Die Ursachen für den Rückgang der Apotheken sieht der studierte Pharmazeut eher an anderen Stellen. Die „Erosion der ärztlichen Infrastruktur auf dem Land“ habe deutlich stärkere Auswirkungen auf herkömmliche Apothekenstandorte als die Konkurrenz aus dem Versand, sagt Buse.
„Wenn der Arzt sich aus einer Region verabschiedet, wird es für die Apotheker schwer“, so der Wittenberger. Stattdessen würden sich die Ärzte - und auch die Apotheken - in den Städten konzentrieren, was es für die Kollegen auf dem Land noch schwerer mache. So sei es unwahrscheinlich, dass gerade ältere Patienten erst in die nächste Stadt fahren, um einen Arztbesuch wahrzunehmen, und dann zum Apothekenbesuch im Heimatort vorbeizuschauen.
Eine zweite Ursache für den Rückgang von Apotheken sieht Buse in der gestiegenen Bürokratie. „Viele schaffen es nicht mehr, der Sache Herr zu werden“, sagt er. So müssten die Pharmazeuten inzwischen viele Ressourcen vorhalten, um dem Reglement von EU und Bundesregierung zu entsprechen.
Das treffe zwar Versand- und Vor-Ort-Apotheken gleichermaßen. Aber: In größeren Unternehmen verteile sich die Aufgabenflut auf mehrere Schultern, während in einem kleinen Haus fast alles am Apotheker selbst hängen bliebe. Zum Weggang der Ärzte und der Bürokratie käme dann noch das immerwährende Thema Fachkräftemangel hinzu: So könnten freie Stellen oft nicht besetzt werden.
Einen großen Unterschied in der Nachfrage bei seinem Unternehmen aus dem städtischen oder aus dem ländlichen Bereich kann Christian Buse indes nicht feststellen. Die Stadtbevölkerung sei naturgemäß etwas online-affiner, auch weil die Berufsbilder sich oft im digitalen Bereich bewegten. „Online bestellen ist dort normaler als Fahrradfahren“, sagt der Mycare-Chef.
Auf dem Land bestellten die Leute ebenfalls häufig im Netz, weil der Weg zur nächsten Apotheke zu weit oder der Patient nicht mehr mobil genug sei.
Alleine mit dem Beipackzettel
Den Vorwurf des MZ-Lesers, versandte Medikamente würden den Patienten mit dem Kleingedruckten alleine lassen, weist Buse zurück. Das Unternehmen habe zwölf Apotheker, die täglich per Telefonhotline zu erreichen seien. Wegen der Breite des Angebots seien die auf bestimmte Bereich spezialisiert. „In Sachen Beratung müssen wir den Vergleich mit dem Vor-Ort-Service nicht scheuen“, sagt er.
Hinzu komme ein Online-System, in das der Patient seine Daten eintragen kann, um etwaige Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten auszuschließen.
Allerdings, räumt der Mycare-Chef ein, könne man kein Gespräch von Angesicht zu Angesicht bieten, wie es in der klassischen Apotheke üblich sei. Das schaffe auch Telemedizin nicht.
Weniger Apotheken
Die Zahl der Apotheken sinkt seit Jahren. Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände waren Ende 2017 19748 Apotheken in Deutschland geöffnet, der niedrigste Stand seit den späten 1980ern. 400 Apotheken schließen jährlich, nur 120 eröffnen neu. In Sachsen-Anhalt gab es Ende 2017 knapp 600 Apotheken.
(mz)