Lost Places in Wittenberg Lost Places in Wittenberg: Die Rätsel-Blumen von 1937
Der Botanische Garten in Wittenberg verschwand offiziell 1814 mit der Schließung der Universität. 1937 wurde jedoch eine Postkarte verschickt mit der Aufschrift „Lutherstadt Wittenberg. Im Botanischen Garten“. Was steckt dahinter?

Wittenberg - Die Ernte ist dürftig, gibt man ins vielwissende Internet das Suchwort „Botanischer Garten“ in Kombination mit „Wittenberg“ ein. Und selbst dann führen die meisten Treffer in die Irre - zur Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die selbstredend einen solchen Garten hat. Mit der Uni steht freilich auch der Wittenberger Botanische Garten in direkter Beziehung: Er verschwand als solcher mit deren Schließung 1814.
Denn selbstverständlich hatte auch die 1502 gegründete Leucorea eine solche Anlage, die, was erholungsuchende Stadtmenschen heutzutage vielleicht gern mal vergessen in den schönen großen Gärten dieser Welt, insbesondere dem Erhalt von Pflanzenarten dient. Im 17. Jahrhunderte legte sich jedenfalls auch die Wittenberger Uni einen solchen Garten zu.
Er befand sich - das ist nichts Neues aber möglicherweise nicht allgemein bekannt - im Hof des Lutherhauses, also zwischen diesem und dem Vorderhaus, dem Augusteum.
Botanischer Garten in Wittenberg - Zweifache Verwahrlosung im 17. Jahrhundert
Angelegt zwischen 1615 und 1668, ereilte den Wittenberger Botanischen Garten allerdings offenbar das, was man gern eine „wechselvolle Geschichte“ nennt. Kein Wunder vielleicht: Es war das Jahrhundert des Dreißigjährigen Krieges. Jedenfalls verwahrloste die Anlage derart, dass sie noch im 17. Jahrhundert neu hergerichtet werden musste - um erneut zu verwahrlosen.
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1706 wurde der Botanische Garten dann neu angelegt, von jemandem, der es außerhalb zu einiger Prominenz bringen sollte: Johann Heinrich von Heucher (1677 bis 1747). Bevor der Wittenberger Professor 1713 in Sachsen Leibarzt Augusts des Starken wurde, veröffentlichte er 1711 das in Latein verfasste Werk „Horti Medici Academie Vitembergensis“, ein erstes Verzeichnis der Pflanzen im Botanischen Garten der Universität Wittenberg.
Streng geometrisch angelegte Rabatten, gesäumt von verglasten Gewächshäusern, so muss der Botanische Garten von Wittenberg ausgesehen haben, es gibt auch noch alte Pläne. So richtig kann man sich das heute, da der gerade erst wieder einmal neugestaltete Hof zwischen Blutbuche und Brunnen vor allem eine schöne Aufenthaltsqualität hat, gar nicht mehr vorstellen.
MZ-Leser offenbart Postkarte von 1937 mit Aufschrift „Lutherstadt Wittenberg. Im Botanischen Garten“
Die Sehnsucht nach einem botanischen Garten aber blieb offenbar in Wittenberg. Vor wenigen Tagen brachte MZ-Leser Dieter Pioch eine Schwarz-Weiß-Postkarte vorbei, die er aus deren Familienalbum von einer Bekannten seiner Frau bekommen hatte.
Ein junger Mann auf Wittenberg-Besuch schrieb 1937 an seine Mutter in Hamburg und schickte ihr eine hübsche Parkansicht mit prächtigen Rhododendren und der Schlosskirche im Hintergrund, offenkundig ein Teil der süd-/westlichen Wallanlagen. Offiziell beschriftet aber ist die Fotografie eines Berliner Verlages mit den Worten „Lutherstadt Wittenberg. Im Botanischen Garten“. (mz)