Geschichte in Bad Schmiedeberg Vergessene Töpfchenbude
1967 schloss der VEB Keramik Bad Schmiedeberg. Ein Betrieb, von dem heute nur noch wenig geblieben ist. Dabei waren die Waren einst Exportschlager.
Bad Schmiedeberg
- In diesem Jahr gibt es in Bad Schmiedeberg ein interessantes Jubiläum, das jedoch nur wenigen bekannt sein dürfte. 1921, vor genau einhundert Jahren, wurde in der seinerzeit aufstrebenden Kurstadt ein Keramik herstellender Betrieb gegründet, von dem es heute jedoch keinerlei Spuren mehr gibt. Die Bad Schmiedeberger Steingut-Ära, die immer wieder Hochs und Tiefs erlebte, endete 1967.
Einer, der sich noch gut an die Existenz der Keramischen Werke erinnern kann, ist Uwe Lehmann. „Ich bin genau gegenüber auf der anderen Straßenseite aufgewachsen“, erzählt der 67-Jährige und erklärt, dass sich heute auf einem Teil des Geländes eine Seniorenresidenz befindet. Andere Teile, die sich in Richtung Klinik Dübener Heide hinziehen, sind begrünt. Dort befinden sich heute unter anderem eine kleine Streuobstwiese, der Barfußpfad und ein Kneipp-Tretbecken.
Rarität für Sammler
Seit Jahrzehnten sammelt Uwe Lehmann Historisches und Überliefertes aus seiner Heimatstadt Bad Schmiedeberg. Da versteht es sich, dass der Sammler ein besonderes Augenmerk auf Bad Schmiedeberger Keramik hat. „Ich war gerade mal zwölf Jahre alt, als ich mein erstes kleines Kännchen mit dem einheimischen Logo in den Händen hielt.“ Zu diesem Zeitpunkt war die Produktion schon längst eingestellt. Dem jungen Lehmann war klar: „Im Laden bekommt man das Geschirr nicht mehr zu kaufen“, also schaute er sich aufmerksam auf Trödelmärkten um. Das eine oder andere der Objekte, von denen die meisten wohl aus den 1950ern stammen, bekam der Sammler auch geschenkt.
In den letzten Jahren seines Bestehens waren es hauptsächlich Kaffee-, Mokka-, Tee- und Speiseservice, die den VEB Keramik Bad Schmiedeberg verließen. Hinzu kamen verschiedene Schüsseln und kunstgewerbliche Artikel, wie Ziergefäße, Dekorationsware und Vasen, aber auch Obstschalen und Aschenbecher unterschiedlicher Größen. Davon verblieb nur ein Bruchteil in Bad Schmiedeberg. Der Export war in den letzten Jahren des Bestehens derart gestiegen, dass 1967 nur noch elf Prozent im eigenen Land, also in der DDR, verblieben. 89 Prozent der Gesamtproduktion wurden exportiert. Wie in einer Betriebschronik geschrieben steht, gingen davon wiederum 75 Prozent in das kapitalistische Ausland.
Start mit sechs Beschäftigten
In der Korgauer Straße gab es einst eine Zimmerei, die ein gewisser Herr Heckmann 1921 käuflich erwarb. Er baute diese zu einem keramischen Betrieb um und begann mit sechs Beschäftigten mit der Produktion von Steingut. Es entstand zunächst mit gedrehten Tellern und Schüsseln sogenannte Flachware, Kannen wurden als Hohlgeschirr gegossen. Der erste Brennofen fasste seinerzeit gerade mal 15 Kubikmeter Inhalt. Nur ein Jahr später begann man ordentlich aufzurüsten, so dass laut Chronik die achtfache Menge an Steingutgeschirr hergestellt werden konnte. Schon in den Anfangsjahren der Bad Schmiedeberger „Töpfchenbude“ gab es Ausstellungen auf der Leipziger Messe, auf der man gute Abschlüsse im Export und im Binnenhandel erreichte.
Das Geschirr muss der Renner gewesen sein, denn 1924 wurde weiter investiert und der nunmehr vierte Brennofen fasste 120 Kubikmeter. In der Chronik steht geschrieben, dass Facharbeiter aus Colditz, Rheinsberg und Thüringen in die Bad Schmiedeberger Steingutfabrik kamen und die Belegschaft bis auf 325 Beschäftigte anstieg. Es wurden immer wieder neue formschöne Designs entwickelt und umgesetzt und auf den Messen angeboten.
In den darauffolgenden Jahrzehnten ging es immer mal gut und dann wieder weniger gut. Insbesondere Kredite und Zahlungsschwierigkeiten machten dem Unternehmen zu schaffen. Von 1936 bis 1953 trug das Unternehmen den Namen „Steingutfabrik Bergschmied“ und gehörte Hermann Bufe beziehungsweise nach seinem Tod der Witwe. Es stand die Frage nach der Weiterführung des bis dahin privat geführten Unternehmens im Raum. Schließlich, insbesondere um die Arbeitsplätze in Bad Schmiedeberg zu erhalten, wurde laut Chronik gemeinsam und „von oben“ entschieden, den Betrieb an den Staat zu verkaufen.
1967 kam das Aus
Ab nun also ein VEB Keramik Bad Schmiedeberg, in dem neben Gebrauchskeramik bis 1962 auch transportable Kachelöfen produziert wurden. Auch wenn Nachfrage und Umsatz der Steingutwaren stiegen und in alle Welt exportiert wurde, war die Produktion nicht effektiv genug, der Gewinn, der an den Staat abgeführt wurde, zu niedrig. 1967 hatte das Werk seine höchste Kapazität erreicht und musste dennoch schließen. Die „Töpfchenbude“, wie Bad Schmiedeberger ihren Betrieb liebevoll nannten, war auf Verschleiß gefahren worden und für notwendige Investitionen und Modernisierungen, die seinerzeit mit 4,2 Millionen Mark veranschlagt worden waren, fehlte das Geld. Die Steingutproduktion wurde eingestellt, der Betrieb auf Metallverarbeitung „umprofiliert“ und dem VEB Transportmechanik Wittenberg angegliedert. Aus Töpfern wurden Metaller.