1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Uralt-Aktuelles wird im Eisenwarenladen präsentiert

Uralt-Aktuelles wird im Eisenwarenladen präsentiert

Von WOLFGANG GRAHL 30.04.2010, 17:51

GRÄFENHAINICHEN/MZ. - Eines steht fest: Marianne Gölicke hätte ihre helle Freude gehabt. Als geborene Reinhard lebte und arbeitete die angesehene Geschäftsfrau im Gebäudekomplex Marktstraße 10. Ein Haus mit wahrlich aufregender Vergangenheit und seit eineinhalb Jahren auch freudigem Blick in die Zukunft. Den Grund fasste Bürgermeister Harry Rußbült (Linke) am Freitagvormittag in einem Satz zusammen: "Dynamische Damen und Herren in der Stadt zu wissen, ist einfach schön."

Die Zahl der so Gelobten steigerte sich von zunächst von einem halben Dutzend auf nunmehr 40 Mitglieder innerhalb des Vereins "Historische Bauschlosserei- und Schmiedewerkstatt A. Reinhard". Vorsitzender Roland Lück hatte am Freitag Mühe, auf dem Innenhof bei etwa 100 Gästen, Gratulanten und einfach interessierten Neugierigen die Übersicht zu behalten. Drehorgel Mucky aus Merseburg ließ die Ambosspolka erklingen, Hobbyhistoriker Erich Schacher brachte eine 17 Paragrafen-Fahrradkarte von 1916 mit, Stiftungsgründer Otto Hildebrand hatte an was Flüssiges gedacht und Stadtrat Michael Walther (Linke) im heimischen Keller einen Benzin getriebenen Lötkolben gefunden. Wieder ein Ausstellungsstück mehr.

Schon jetzt zeigen sich die einstigen Verkaufs- und Lagerflächen dermaßen interessant und umfangreich bestückt, dass jeder Besucher schon ein bisschen Zeit mitbringen sollte. Lück begrüßte neben dem Bürgermeister Sparkassenchef Peter Henze, den Stadtratsvorsitzenden Günter Schöley (CDU) samt mehrerer Räte, den Dessauer Vertreter der Handwerkerschaft und Obermeister der Kfz-Technik Klaus-Lothar Bebber und bemühte die Historie. August Reinhard und seine Frau erschienen als "königstreue Preußen" in Gestalt von Bernhard und Christa Krüger. Der 1908 verstorbene Reinhard erinnerte in seinem "Grußwort" an Handwerkertraditionen und endete mit dem nachdenkenswerten Ausspruch "Zukunft braucht Herkunft". Eine top funktionierende 100 Jahre alte Dunlop-Luftpumpe hinterließ er seinen Nachfahren.

Damit es erfolgreich weitergeht in diesem Museumskomplex entrollte der Vorstandsvorsitzende der Sparkassenstiftung Ludwig Rasp einen überdimensionalen Scheck. 8 000 Euro, weil man Engagement und Thema "interessant gefunden" habe. Lück hatte eingangs von der "Traditionspflege zum Anfassen", "einem Ort der Reflexion", "einer Fundgrube alten Handwerks" gesprochen. Freude, Spaß, handwerkliche Abenteuerlust, Geselligkeit, Heimatgefühl seien Antrieb genug gewesen, hier eine "historische Erlebniswelt" entstehen zu lassen, aber nichts für Schnäppchenjäger, sagte er. Mit Harald Fehlberg würdigte er einen Mann, "der zu den Fleißigsten hier zählt". Ansonsten würden sich Last und Lust auf breite Schultern verteilen, denn viel Arbeit sei bis zur Museumseröffnung freilich nötig gewesen.

11.46 Uhr war es dann so weit: Matthias Riemenschneider, auch ein Mann der ersten Stunde, durchschnitt mit einer nicht ganz so alten Schere traditionell das Band an der Tür. "Reinhards Marianne hat ihren Laden wieder offen", werden die Älteren sagen, und Lück wünscht sich, dass diese Stätte "auch ein Anlaufpunkt für Schulklassen" wird. Kurze Zeit später staunte Stadtrat Dr. Jörg Gallitschke (CDU). August Reinhard zeigte ihm ein metallenes Bruchband. Was es hier nicht alles zu sehen gibt! Jetzt auch Rußbülts goldenen Schraubenschlüssel, von dem er sich sehr schwer getrennt habe.