Jugendclub Umzug bewegt weiter die Gemüter in Wittenberg
Trotz Neustarts in der Bachstraße bewegt die Vertreibung der Einrichtung aus der Jüdenstraße weiterhin die Gemüter.

Wittenberg - Seit rund einem Vierteljahr ist die Jüdenstraße um eine Leerstelle reicher. Anfang Juni packte dort der Jugendclub „nebenan“ ein, gezwungenermaßen. Ein Zettel im Schaufenster verweist auf den neuen Standort, die Jugendarbeit wird jetzt in der Bachstraße geleistet, im Haus der Landeskirchlichen Gemeinschaft. Am 1. September war dort Eröffnung. Alles gut? Nein.
„Zugrunde gegangen“
Die Vertreibung des von einem christlichen Betreiber geführten „nebenan“ aus der Altstadt sorgt bis heute für Kritik. Der Club sei „zugrunde gegangen“, kritisierte in der vergangenen Woche Stadtkirchenpfarrer Fabian Mederacke die Stadt Wittenberg in einem Workshop, in dem es um die Weiterentwicklung der Altstadt ging, so auch und gerade um deren Attraktivität für junge Leute (die MZ berichtete). Die Kommunikation habe einen „ungünstigen Verlauf“ genommen, sagte Mederacke in der Veranstaltung. Im MZ-Gespräch legte er vor wenigen Tagen noch einmal nach: „Warum ist nicht gefragt worden: ,Wie können wir euch in der Innenstadt halten?’ Das ist das Ärgerliche.“
Ungewöhnlich nonchalant hatte Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) in dem Workshop auf Mederackes Kritik an der Stadt reagiert. Das sei dann eben so, hatte er sinngemäß gesagt, als es um eine Konkurrenz des nicht weit entfernten „Pferdestalls“ ging, der ebenfalls Angebote für junge Leute bereithält. In der Vergangenheit, als „nebenan“ schon einmal zur Debatte stand, die Stadt sich dann aber doch zu dessen Rettung entschlossen hatte, spielte die Nähe des „Pferdestalls“ in den städtischen Plänen öffentlich keine problematische Rolle.
Auch Apollensdorf betroffen
Im Zuge der Neuordnung der Wittenberger Jugendclublandschaft, mit der die Stadt Wittenberg erklärtermaßen ein verlässliches Angebot an Jugendarbeit auch in ihren Dörfern sicherstellen wollte und will, hatte wie berichtet „nebenan“-Betreiber EC im Interessenbekundungsverfahren gegenüber einem Dritten den Kürzeren gezogen. Als dieser sich kurz vor Vertragsabschluss überraschend zurückzog, standen mehrere Clubs plötzlich ohne Betreiber da, darunter auch die Jugendeinrichtung von Apollensdorf, die zuvor über mehr als zwei Jahrzehnte vom Verein „Mini-Club - ganz groß“ geführt worden war, ebenfalls ein Opfer der - eigentlich positiven - Neustrukturierung.
„Erfreulicherweise“, hatte die Stadtverwaltung vor gut zwei Monaten und erst auf MZ-Anfrage erklärt, habe man EC jetzt wieder fürs „nebenan“ und außerdem neu für den Club in Apollensdorf gewinnen können. Dass es sich beim „nebenan“ nicht um den Standort Jüdenstraße handeln würde, blieb unerwähnt. Kleine Groteske am Rande: Das Angebot, doch in der Altstadt zu bleiben, erreichte den EC nach dessen Angaben just wenige Stunden nach dem Auszug aus der Jüdenstraße 10.
Der EC, korrekt: EC-Verband für Kinder- und Jugendarbeit Sachsen-Anhalt, ist ein Verein, die beiden Buchstaben stehen für „Entschieden für Christus“. Als anerkannter Anbieter von offener Jugendarbeit richten sich seine Angebote aber an alle, sind also nicht etwa christlichen Jugendlichen vorbehalten. Wie Benjamin Rönsch, Pastor der Landeskirchlichen Gemeinschaft und dort bzw. beim EC für die jungen Leute zuständig, der MZ in dieser Woche auf Anfrage berichtete, sei inzwischen „an beiden Orten die Arbeit angelaufen“, also in der Bachstraße im Lindenfeld sowie, seit Dienstag, in Apollensdorf. Dort gehe es zunächst darum, die künftigen Besucher „kennenzulernen“, so Rönsch. Eine Aussage, die man in Apollensdorf mit einer gewissen Bitterkeit quittieren dürfte - gegenüber der Stadt.
Eine für beide
Noch sind laut Rönsch einige Dinge zu regeln mit dem Landkreis als Träger der Jugendhilfe und auch der Umbau des neuen „nebenan“ sei noch nicht ganz abgeschlossen, doch es gibt jetzt eine neue Leiterin für die beiden Clubs, Vanessa Quiring, und auch wieder Unterstützung durch einen Bundesfreiwilligen. „nebenan“-Leiterin Tabea Hartmann hatte sich nach dem Aus in der Jüdenstraße etwas Neues gesucht und auch Apollensdorf verlor mit János Bucsi eine erfahrene Kraft.
Gefeiert werde später, sagte Pastor Rönsch. Von der Idee, das alte „nebenan“ in der Jüdenstraße - wo man noch Mieter ist - vorübergehend als „Pop-up“-Jugendcafé zu betreiben, habe man sich verabschiedet, dies wäre personell nicht zu machen gewesen. So bleiben dort zwei Zettel an der Schaufensterscheibe eines leeren Geschäftes, die von einem Neuanfang künden, anderswo. (mz)