Öffentliche Toiletten Toiletten Wittenberg: Stadt will 400.000 Euro in stille Örtchen investieren

Wittenberg - Am meisten vermisst man sie in fremden Städten: öffentliche Toiletten. Doch auch beim alltäglichen Stadtbummel fernab der eigenen Wohnung werden sie zum Problem - wenn sie nicht da sind. Nicht jeder kann oder mag sich - mindestens - einen Kaffee leisten, bloß um in einem Lokal die Toilette aufsuchen zu dürfen, andererseits kassieren Lokale von WC-bedürftigen Nichtgästen gern schon mal Mondpreise, ohne dass man dafür dort nun gleich an vergoldeten Wasserhähnen drehen dürfte auf dem Örtchen.
Vier WC-Anlagen in Altstadt von Wittenberg
Hotspot des öffentlichen Toilettenwesens ist in Wittenberg naturgemäß die Altstadt und dort befinden sich denn auch die vier WC-Anlagen, denen die Stadt am Vorabend des großen Jubiläumsjahres eine Auffrischung verpassen will.
Einnahmen lassen sich für die Stadt mit den städtischen Bedürfnisanstalten nicht generieren, die eingeworfenen Toilettengroschen fallen dem Betreiber zu. Das ist im Wittenberger Fall das ortsansässige Unternehmen ACC Reinigungsservice GmbH. Ganz im Gegenteil hat die Stadt Unterhaltungskosten wie etwa für Strom, Wasser, Straßenreinigung etc. aufzubringen - durchschnittlich knapp 2 290 Euro schlugen 2015 pro Toiletten-Standort zu Buche.
Die Diva der öffentlichen Bedürfnisanstalten in der Wittenberger Altstadt, die Toilette mit Gästebuch gegenüber der Schlosskirche, wird ebenfalls saniert. Es ist die einzige von einem stets sichtbaren Menschen - Jörg Hänig - betriebene Wittenberger Anlage und hat es dank dessen Phantasie schon mehrfach in überregionale Medien geschafft. Gerade erst, berichtet Endfünfziger Hänig, sei das ZDF zum Drehen dagewesen. Am Samstag ist Welttoilettentag. (mz/irs)
Zwar sei die Angelegenheit keine kommunale Pflichtaufgabe, wie es im einschlägigen Konzept heißt, doch seien öffentliche WC „nicht nur Teil der Visitenkarte einer Stadt, sondern gehörten gerade in einer älter werdenden Gesellschaft immer mehr zur Daseinsvorsorge“.
Wittenberg wolle mit der geplanten Toilettensanierung seiner „Verantwortung gerecht werden und ein Zentrum schaffen, welches jeden willkommen heißt und zum Verweilen einlädt“. So weit, so wörtlich, so poetisch. Drastisch wird es dann aber in der „Defizitanalyse“: „Mit keiner vollständig barrierefreien Toilette und der fehlenden Anwendbarkeit des Euroschlüsselsystems wird dem städtischen Leitbild einer barrierefreien Stadt derzeit in keiner Weise Rechnung getragen“, heißt es dort. Auch das soll sich nun ändern.
Drei Anlagen in der Innenstadt von Wittenberg sollen saniert werden
Konkret ist vorgesehen, die Bedürfnishäuschen in der Pfaffengasse, am Schlossplatz sowie eines in der Wallstraße zu sanieren. Abgerissen und neu gebaut wird das öffentliche WC hinter dem Alten Rathaus. Abgebaut aber nicht am selben Ort ersetzt werden soll die Anlage in der Wall-/Ecke Elbstraße. Hier verweist die Stadt auf die in Entstehung befindliche Service-Station am Altstadtbahnhof („Inno-Station“), wo es unter anderem auch ein WC geben wird.
Weitere öffentliche Toiletten, die aber ebenfalls nicht Teil des aktuellen Bau- und Sanierungsvorhabens der Stadt selbst sind, werden am Hauptbahnhof entstehen, und zwar im neuen Empfangsgebäude, das nach bisheriger Planung am 9. Dezember eröffnet werden soll.
Rund 400.000 Euro veranschlagt die Stadt für ihr eigenes Vorhaben zur Verbesserung der WC-Landschaft, 80 Prozent dieser Summe sollen aus einem Förderprogramm fließen. Die Erlaubnis des „vorzeitigen Maßnahmebeginns“ in diesem Zusammenhang habe man bereits bekommen, hatte Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) auf der letzten Stadtratssitzung erklärt.
Bis Ende April 2017 soll das Vorhaben umgesetzt sein; der Beginn ist laut Stadtverwaltung für Ende November, Anfang Dezember vorgesehen, als erstes kommen die Toiletten am Schlossplatz an die Reihe, Anfang Januar sind Pfaffengasse und Wallstraße dran.
Konstatiert wird im Konzept gleichwohl eine „klare Unterversorgung für den östlichen Altstadtbereich“. Auch im Bauausschuss des Stadtrats, der sich in der vergangenen Woche punktuell mit den städtischen WC-Plänen befasste, wurde dies kritisiert: Eine öffentliche Toilette fehle im Bereich Lutherhaus/Bunkerberg, befanden mehrere Mitglieder. Ob sich hier noch was machen lässt, blieb zunächst offen.
Grundsätzliche Erleichterung könnte in Ergänzung dieser Basisversorgung die so genannte Nette Toilette bringen. Und die funktioniert so: Die Kommune zahlt eine Pauschale an Dritte (Cafés etc.), die ihre WC dann Nichtkunden kostenfrei zur Verfügung stellen, und gewinnt damit ein deutlich engmaschiger geknüpftes Netz. Was andernorts bereits funktioniere, sieht auch die Stadt Wittenberg als „denkbaren Lösungsansatz“.
Für Reformationsjubiläum 2017 werden Sonderlösungen gebraucht
Eines freilich wird sich - ob mit oder ohne Nette Toilette - nicht ändern: Das Bau- und Sanierungskonzept für die kommunalen WC, das nun in den kommenden Monaten an den genannten vier Standorten umgesetzt werden soll, taugt nur für den Alltag der Touristenstadt Wittenberg. „Jährliche Großveranstaltungen sowie geplante Veranstaltungen im Zuge des Reformationsjubiläums 2017 bedürfen (mobiler) Sonderlösungen.“ (mz)