Thesen-Anschlag in Wittenberg Thesen-Anschlag in Wittenberg: Ist das die ganze Wahrheit?

Wittenberg - „Tatsache!“ ist der Titel eines neuen Buches, das am 10. Oktober im Refektorium des Lutherhauses Wittenberg präsentiert werden soll. Auf über 120 Seiten widmen sich die Autoren Benjamin Hasselhorn und Mirko Gutjahr der „Wahrheit über Luthers Thesenanschlag“, begleitet von zahlreichen Literaturverweisen und Anmerkungen.
Neugierige Willkommen
Die Präsentation, zu der auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erwartet wird, beginnt 10.30 Uhr. Ein ebenfalls geplantes Gespräch wird von Reinhard Bingener von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung moderiert. Zwar versende die Evangelische Verlagsanstalt gezielt Einladungen zu dieser Veranstaltung, doch sind nach Auskunft von Hasselhorn alle Interessierten willkommen. „Wir freuen uns über jeden“, sagt er am Dienstag zur MZ.
Wie der Archäologe Gutjahr, so ist auch der Theologe Hasselhorn wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt in Wittenberg. Beide sind zudem Historiker und mit dem Gegenstand ihrer Arbeit, respektive dem Urheber der 95 Thesen bestens vertraut. Trotz ihres großen Interesses und ihrer Expertise haben sie sich dem Thesenanschlag in ihrem Buch dann aus unterschiedlichen Perspektiven genähert.
Hasselhorn betont: „Wir waren verblüfft von den Zweifeln und wollten zeigen, dass die Quellen für den Thesenanschlag sprechen.“ Nichts anderes habe er selbst angenommen, für ihn „stand immer fest, dass es den Thesenanschlag gab“. Und dies umso mehr, nachdem der Historiker und Theologe Martin Treu eine entsprechende Notiz von Martin Luthers Assistent Georg Rörer wiederentdeckt hatte. Diese, so Hasselhorn, sei später Thema seiner mündlichen Examensprüfung gewesen.
Eröffnet wird das Buch „Tatsache!“ hingegen mit einem Vorwort, in dem die Autoren an die Zweifler erinnern, die sich gerade im Reformationsjubiläumsjahr 2017 meldeten. Exemplarisch werden einige Formulierungen in den Medien wiedergegeben. Plötzlich wurde das Ereignis, das es zu feiern galt, in Frage gestellt. Zu lesen war von der „Legende“ oder dem „vermeintlichen“ Thesenanschlag. Es war die Rede vom Mythos und davon, dass Luther „der Überlieferung nach“ am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen die damals gängige Praxis des Ablasshandels an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen habe.
„Haben wir 2017 also ein Jubiläum ohne Anlass gefeiert?“, lautet eine Frage. Und wieso kam es zu der Überzeugung, er habe nicht stattgefunden? Oder: Warum ist die Frage nach dem Thesenanschlag überhaupt wichtig, wenn nie bestritten wurde, dass Luther seine Thesen am 31. Oktober 1517 „verschickt“ hat?
Solchen und anderen Fragen sind die Autoren kenntnisreich nachgegangen. Sie bemühen Zeugen und bieten am Ende noch eine zumindest originelle Erklärung für den „von manchen Reformationshistorikern verteufelten Hammer“. Der passe deshalb „so gut zu Luther, weil er mit diesem und anderen Werkzeugen andauernd Umgang hatte“. Unter anderem begründen sie das mit Luthers Funktion als Distriktsvikar, als solcher sei er auch für die Bautätigkeiten der ihm unterstellten Augustinerklöster in Sachsen zuständig gewesen...
Aus einem Guss
Über die Arbeitsteilung am Buch sagt Hasselhorn: „Wir haben zusammen geschrieben.“ Sie hätten die Kapitel „aufgeteilt, gegenseitig überarbeitet und Korrektur gelesen“. Geht man davon aus, dass zwei unterschiedliche Menschen auch ausgeprägte eigene Handschriften haben, so ist Gutjahr und Hasselhorn auch dies gelungen: Man merkt bei der Lektüre keine Brüche an - weder inhaltlich noch stilistisch.
(mz)

