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Streit mit Migrant Streit mit Migrant: Verschweigt Polizei Auseinandersetzung mit deutscher Familie?

Von Alexander Baumbach 19.09.2018, 08:54
In der Kienbergstraße in Pratau sind auch am Dienstagnachmittag die Zeichen der Graffiti-Tour vom Wochenende zu sehen.
In der Kienbergstraße in Pratau sind auch am Dienstagnachmittag die Zeichen der Graffiti-Tour vom Wochenende zu sehen. Baumbach

Pratau - Es ist ein schwerer Vorwurf, den Andreas M. aus Pratau erhebt: Hat die Polizei eine tätliche Auseinandersetzung zwischen einer jungen Familie und einem Jugendlichen mit Migrationshintergrund verschwiegen? Als in der Nacht zum Sonntag in Pratau ein 17-jähriger Sprayer von der Polizei geschnappt wird, soll es zu den Auseinandersetzungen gekommen sein.

„Wieso berichtet das keiner? Da wird die Hälfte der Sache verschwiegen!“, erbost sich der Mann in einem Telefonat mit der Wittenberger Lokalredaktion. Und tatsächlich: Liest man den Polizeibericht vom Sonntag, dann ist darin nur die Rede von Sachbeschädigungen und den diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungen.

Andreas M. schildert den Vorgang aber weitaus umfangreicher. „Wir waren zu dritt in Pratau unterwegs, um Zeitungen auszutragen: meine Freundin, mein Ziehsohn und ich. An den Brandmaßen sahen wir die beiden jungen Männer auf der Straße. Der eine hielt sich abseits, schob zwei Fahrräder. Der andere besprühte Hauswände“, schildert M. die Geschehnisse vom Samstagabend.

Äthiopische Wurzeln

„Als wir den gerufen haben, ist der direkt auf mich zu, hat ausgeholt und wollte mich schlagen. Da konnte ich gerade noch ausweichen“, erzählt der 39-Jährige, der nach eigener Auskunft schwerbehindert und körperlich eingeschränkt ist. Sein zwölfjähriger Ziehsohn, der den fünf Jahre älteren Jugendlichen kennt, habe sich furchtbar erschrocken. „Der hat sich fast in die Hose gemacht und hat jetzt Angst, in die Schule zu gehen“, behauptet Andreas M.

„Dann hat er uns bedroht: ,Ich bringe euch um, ich schlitze euch auf, ich bin auf Crystal Meth’“, erinnert der Pratauer sich an die Worte des 17-Jährigen, der zudem auf seine äthiopische Herkunft verwiesen haben soll. M.’s Freundin Julia K. schildert das mit einer winzigen Abweichung: „Wenn ich auf Crystal wäre, würde ich euch alle aufschlitzen“, zitiert sie am Dienstag den Jugendlichen aus der Erinnerung.

Der Jugendliche hat tatsächlich Wurzeln in dem afrikanischen Land, besitzt aber die deutsche Staatsbürgerschaft. Er wohnt in Pratau. Die Familie kennt ihn, weiß welchen Spitznamen er trägt. Streit zwischen ihnen hat es vorher nie gegeben.

Die dreiköpfige Gruppe setzt die Zeitungsrunde fort. Im Pratauer Wolfswinkel stoßen die beiden Parteien wieder aufeinander.

Reviersprecherin Cornelia Dieke versucht die Darstellung auf Nachfrage der Mitteldeutschen Zeitung am Anfang der Woche zu relativieren: es habe zwar eine körperliche Auseinandersetzung gegeben. Aber es gäbe wechselseitige Anzeigen und man stünde erst am Anfang der Ermittlungen, deswegen sei nicht berichtet worden. So habe der Familienvater den Jugendlichen wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung angezeigt, dieser aber seinerseits auch den Pratauer: wegen Körperverletzung.

„Der 17-jährige trug eine blutende Verletzung im Gesicht davon“, schildert die Reviersprecherin. Warum die nicht im Polizeibericht auftaucht? „Da muss jetzt geklärt werden, was dahinter steckt“, versucht Dieke am Montagnachmittag zu erklären. Der zuständige Sachbearbeiter sei aber nicht im Hause.

Verletzungen im Gesicht

Hat Andreas M. dem Jugendlichen vielleicht sogar die Verletzungen beigebracht? Auf seinem Facebook-Profilfoto posiert er mit Sonnenbrille und Schriftzug „Widerstand fürs Vaterland“ in Frakturschrift. Auf einem anderen Foto trägt er ein Abzeichen der rechten Identitären Bewegung an der Jacke. Diese Theorie zerstreut Andreas M. „Der ist auf einer Wasserflasche ausgerutscht, die am Boden lag. Dabei ist er so aufs Gesicht hingeknallt, da wäre ich so schnell nicht wieder aufgestanden“, behauptet M.

Stützt das die These, dass der 17-Jährige unter Drogen gestanden haben soll? „Wir haben keinen Drogentest durchgeführt, weil sich dafür keine Anzeichen ergeben haben“, erklärt Polizeisprecherin Cornelia Dieke.

M. selbst hat nach eigenem Bekunden eine Verletzung an der Hand. Und eine Erklärung auch dafür: „Der hat mir gegen die Hand getreten, der ganze Handspann tut weh. Damit muss ich wahrscheinlich noch zum Arzt“, erklärt er gegenüber der MZ.

Auch auf einen weiteren Vorwurf des Pratauers reagiert die Polizei eher vage. „Die Polizei hat etwa 40 Minuten gebraucht, bis sie hier waren“, schildert Andreas M. die Zeitspanne. „Ich fand es ewig“, ergänzt Julia K. „Die Einsatzkräfte waren in angemessener Zeit vor Ort“, kontert dagegen Cornelia Dieke.

Konkrete Zeiten möchte sie nicht nennen. Erklärend fügt sie aber an: „Wenn die Kollegen einem Sachverhalt nachgehen, der der Gefahrenabwehr dient, dann hat das Vorrang vor Sachbeschädigung.“ Graffiti an Häusern seien eine solche. (mz)