Still ruht das graue Haus
WITTENBERG/MZ. - Der Umbau des Alten Gymnasiums am Kirchplatz - nicht zu verwechseln mit der nahen Knabenschule in der Jüdenstraße - kommt nicht in die Gänge. Noch im Winter 2007 / 2008 sah es hoffnungsfroh aus, Archäologen wühlten sich erfolgreich durch jahrhundertealte Fußböden, detaillierte Pläne wurden erstellt für das Neue im alten Haus von 1564, doch baulich hat sich noch gar nichts getan - sieht man einmal von der Entfernung uralter Graffiti an der grauen Fassade ab.
800 000 Euro, betont Pfarrer Wilhelm Torgerson, seit zwei Jahren "Rektor" des deutsch-amerikanischen Joint Ventures der "Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche" (SELK) und ihrer großen US-Schwester "Lutheran Church Missouri Synod" (LCMS), seien bisher in das Wittenberger Projekt der beiden konservativen Kirchen geflossen, soll heißen: Es ist uns schon noch ernst damit. Bloß: Was tun, ohne Geld? Drüben in Amerika halten sich die Gläubigen weit über Gebühr die Taschen zu, die Wirtschaftskrise, Sie wissen schon, sagt Torgerson. Stattdessen lösen sich über die Stadt beantragte Fördermittel mangels Aktivitäten vorläufig in Luft auf; 100 000 Euro fürs Äußere waren aus diesem Topf zugesagt. Wenn wir doch wenigstens die erste Million hätten, seufzt Torgerson, man könnte das Dach machen und zumindest das Erdgeschoss herrichten. Es wäre ein Anfang. Man hätte was zum Herzeigen.
Drei Millionen Euro waren - und sind noch - veranschlagt für die Realisierung des Projektes, doch wann es losgehen kann und wann das Ganze einmal fertig sein wird, das weiß der Himmel. "Mitte 2010", so lautete der letztgenannte offizielle Fertigstellungstermin, er gilt bis heute als Ziel, aber "wahrscheinlich ist das" deshalb noch lange "nicht", räumt Torgerson ein. In der Beilage zur Juli-Ausgabe der US-weit erscheinenden Kirchenzeitung "Reporter" wird unterdessen auf die "goldene Gelegenheit" verwiesen, die die LCMS verpassen würde, wenn sie sich jetzt wegen der finanziellen Probleme aus dem Projekt zurückzöge. Das kann man dann so - oder auch ganz anders lesen. Zitiert wird der Präsident der Synode, Gerald Kieschnick.
Wilhelm Torgerson, auf dem Papier seit März ohnehin bereits Rentner, geht jedenfalls davon aus, dass er die Einweihung des Hauses nicht mehr - als Rektor - erleben wird. Er werde der Kirchenleitung einen Amerikaner als seinen Nachfolger vorschlagen. In der kommenden Woche treffen sich in Wittenberg Spitzenvertreter von LCMS und SELK zur alljährlichen Direktionssitzung. Erwartet werden aus St. Louis der theologische Direktor Dr. Samuel Nafzger und der für Finanzen zuständige Vize-Präses Thomas Kuchta sowie SELK-Bischof Hans-Jörg Voigt aus Hannover. Das Schicksal des gemeinsamen Besucherzentrums steht natürlich ganz oben auf der Tagesordnung im Lutherhotel. Tot, beteuert Pfarrer Torgerson, sei das Projekt nicht. "Im Gegenteil".