1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Stadtrat Wittenberg: Stadtrat Wittenberg: Abgeordnete sprechen sich für Erhalt von Schmährelief aus

Stadtrat Wittenberg Stadtrat Wittenberg: Abgeordnete sprechen sich für Erhalt von Schmährelief aus

Von Marceld Duclaud 30.06.2017, 13:15

Wittenberg - Diskutiert wurde an diesem Abend zwar nicht, dafür klar Position bezogen: Wittenbergs Stadtrat hat sich am Montag einem der heikelsten (und spannendsten) Themen zugewandt, die derzeit in der Stadt zu haben sind. Der Frage nämlich, ob die „Judensau“, das schändliche Spottbild an der Stadtkirche, der bedeutenden Predigtkirche von Martin Luther, bleiben soll wie seit vielen Jahrhunderten oder aber weichen und in einem Museum Platz finden. Gute Argumente gibt es auf beiden Seiten.

Dass eine Debatte überhaupt stattfindet, ist nicht zuletzt einer Mahnwache zu verdanken, einem stillen Protest gegen die „Judensau“, begleitet von der Frage, ob nach Auschwitz an einem solch widerlichen Zeugnis der Geschichte festgehalten werden darf. Wittenbergs Stadtrat findet: Ja.

Eine entsprechende Erklärung, abgestimmt mit den Fraktionen, trug Ratsvorsitzende Franziska Buse vor: Argumentiert wird insbesondere mit der Gedenkplatte unterhalb des Sandsteinreliefs, die der Bildhauer Wieland Schmiedel bereits 1988 entworfen hat.

Sie verweist auf die historischen Folgen dieses Judenhasses: auf den Holocaust. Als Zeichen der Versöhnung ist im gleichen Jahr neben der Gedenkplatte von der Jungen Gemeinde eine Zeder gepflanzt worden, ein Symbol Israels. All das, heißt es, sei untrennbar miteinander verbunden.

„Dieser Dreiklang ist Erinnerung gegen das Vergessen und Erinnerung gegen die Wiederholung der deutschen Schuld. Dieser Gedenkort aus Stein, Bronze und Leben soll ein Aufruf sein, alles dafür zu tun, um eine Wiederkehr der Verfolgung und Ermordung von Menschen für alle Zeiten zu verhindern.“

Der Stadtrat, heißt es auch, betrachte die Darstellung im Kontext der Zeit. Es handele sich bei der „Judensau“ um ein „steinernes Zeugnis einer vergangenen Epoche“. Sie vermittele zweifellos einen „befremdlichen Eindruck“. Um so wichtiger sei ein sensibler Umgang, „verbunden mit stetiger Aufarbeitung und Aufklärung“.

In der Erklärung wird überdies auf die jährlichen Gedenkveranstaltungen hingewiesen, die seit Mitte der 1990er Jahre am Tag der Opfer des Nationalsozialismus dort stattfinden. Erinnert werde dabei an das unendliche Leid, das der zweite Weltkrieg den Völkern der Erde, insbesondere aber den Juden Europas angetan hat.

Im Vorfeld waren Vorwürfe laut geworden, der Stadtrat würde sich bei einer solch wichtigen Debatte wegducken. Das weisen Abgeordnete zurück. Horst Dübner (Linke) zum Beispiel. „Diesen Eindruck hatte ich nie.“ Er verweist auf die Diskussionen etwa im Hauptausschuss oder in den Fraktionen. Der Entwurf der Erklärung sei noch verändert worden nach Wünschen, die vorgetragen wurden.

Die „Judensau“ zu entfernen, hielte er für einen „groben Fehler“: „Es hat keinen Sinn so etwas unter den Teppich zu kehren.“ Bitter nötig seien Mahnung und Erinnerung. Wie nötig zeigten zum Beispiel die Attacken auf die Gedenkplatte an der Kirche. Stefan Kretschmar (Freie Wähler) hält die Diskussion für äußerst wichtig und fürchtet, dass sie nicht stattfindet, wenn das „Corpus Delicti“ ins Museum wandert. Er bemerkt zudem, dass der Stadtrat nur ein politisches Bekenntnis abgeben könne, weil die „Hoheitsrechte“ bei der Kirche liegen.

Die Erklärung unterschrieben haben am Montag fast alle Stadträte: bis auf jene, die entschuldigt gefehlt haben - und bis auf Danilo Wessel von der NPD. (mz)